0682 - Das Geisterkind
- ein Kind noch.«
Suko presste die Lippen hart zusammen. Plötzlich kam er sich wie ein Störenfried vor. »Es tut mir Leid«, sagte er mit leiser Stimme. »Es tut mir wirklich Leid…«
Kate Foreman begann zu weinen. »Wenn Sie mich jetzt allein lassen würden, Mister.«
»Das wäre nicht gut.«
»Warum nicht?«
»Ihr Zustand gefällt mir nicht. Es ist besser, wenn jemand bei Ihnen bleibt. Es ist zwar wenig taktvoll, aber ich will ehrlich zu Ihnen sein. Ich glaube nämlich, dass Sie mich angelogen haben. Sie kennen die beiden Männer, nach denen ich gefragt habe. Stimmt es?«
Die Frau gab keine direkte Antwort. Sie deutete - noch in Sukos Armen liegend - ein Nicken an.
»Waren sie bei Ihnen?«
»Ja. In der Nacht, und sie waren auch bei meiner Tochter, kurz nachdem sie starb.«
»Kannten sie Ihre Tochter?«
»Nein, nicht.« Sie befreite sich, blieb stehen und schaute zu Boden. »Millie war ihnen unbekannt, aber beide haben sie gesucht, denn Millie war ein Medium, wie sie sagten.«
»Für was?«
»Ich kann es nicht so genau sagen. Aber sie sollte den Weg ebnen in eine andere Welt. Beide sprachen von verschiedenen Ebenen oder Stufen, die existieren…«
»Ist Ihre Tochter wirklich tot?«
Kate erschrak über die Frage. »Ja!«, antwortete sie hastig. »Millie lebt nicht mehr.«
»Wo ist sie?«
Auch ohne dass Kate Foreman antwortete, wusste Suko, dass er sie in der Wohnung würde finden können. Die Räume wirkten auch wie ein Trauerhaus mit den abgedunkelten Fenstern, durch die nur sehr spärlich Licht floss.
»Darf ich mich umsehen, Mrs. Foreman?«
Kate hob nur die Schultern.
Suko ging an ihr vorbei und verließ den Raum. Er hatte Glück, denn hinter der ersten Tür, die er öffnete, befand sich das Totenzimmer mit der Leiche.
Auch hier war das Fenster verdunkelt. Suko blieb auf der Schwelle stehen. Er sah die Kerze links neben dem Bett, deren Docht nicht brannte.
Von der leblosen Gestalt konnte er nicht viel erkennen, denn sie drehte ihm den Hinterkopf zu.
Kate war zurückgeblieben, und Suko ging so leise wie möglich vor, als fürchtete er sich davor, die Ruhe der jungen Toten zu stören. Neben dem Bett blieb er stehen und schaute in das wächserne Gesicht des Kindes. Schon beim ersten Blick stellte er fest, dass Millie nicht mehr lebte. So sah nur eine Tote aus.
Wächsern die Gesichtshaut, beide Hände auf die Brust gelegt, die Augen offen, aber ohne Ausdruck. Blondes Haar rahmte das Gesicht ein. Durch einen Spalt im Vorhang fiel ein Lichtstreifen, der sich als Querstrich auf dem Laken abmalte.
Suko hörte Schritte und schaute hoch.
Kate Foreman kam heran. Sie hatte die Hände wie zum Gebet zusammengelegt. Ihre Lippen bewegten sich, ohne dass sie ein Wort hervorbrachte.
Suko versuchte zu lächeln, er schaffte es nicht. Diese Mutter war nur schwer zu trösten.
»Ja, Millie ist tot«, sagte Suko. Er hatte den Satz bewusst so formuliert und hoffte, dass Kate darauf eingehen würde.
Das tat sie auch. »Dann kamen sie. Kurz nach ihrem Tod schon. Und sie erklärten mir, dass Millie etwas Besonderes wäre.«
»Woran starb Ihre Tochter?«
»Ich weiß es nicht.«
»War sie denn nicht krank?«
»Nein, Sir, nein. Sie wollte sterben. Sie wollte einfach nicht mehr leben. Sie hat sich selbst dazu gebracht, dem Tod entgegenzugehen. Da steckte eine Sehnsucht in ihr, die sie getrieben hat. Ich habe sie gekannt. Millie war immer anders als die normalen Mädchen. Sehr schweigsam und verschlossen…«
»Freute sie sich aufs Sterben?«
»So musste man es sehen.« Kate strich über das Haar der Toten wie bei einem letzten Gruß.
»Und kannte sie die beiden Männer?«
»Nein, sie hat sie nie zuvor gesehen. Rami und Ray tauchten erst auf, als sie tot war.«
»Was taten sie? Und wo sind sie jetzt?«
»Wo sie jetzt sind, weiß ich nicht. Als der Morgen graute, verließen sie mich, aber sie werden zurückkehren, daran glaube ich fest.«
»Es ist noch eine Antwort offen, Mrs. Foreman.«
»Ja, ich weiß. Wenn ich Ihnen berichte, was die beiden taten, halten Sie mich für verrückt.«
»Versuchen Sie es trotzdem.«
Auf einem schmalen Stuhl ließ sich die Frau nieder. Dann begann sie zu sprechen. Suko unterbrach sie nicht, denn Kate Foreman musste es sich einfach von der Seele reden.
Was Suko erfuhr, war unglaublich. Trotzdem nahm er es als eine Tatsache hin. Er wollte einfach nicht daran glauben, dass sich Kate das alles aus den Fingern gesaugt hatte. Diese Fantasie besaß sie einfach nicht.
»Und so
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