0685 - Monster-Town
herausgestanzt worden.
Nein, es war an den Rändern aufgesplittert, zackig, wie armbreite Zinken eines zu einem Rund zusammengebogenen Kamms.
Jemand hatte sich die Tote geholt…
Tricia dachte mit Schrecken daran, als sie näher an das Loch herantrat. Sie probierte aus, ob der Fußboden in der unmittelbaren Nähe auch ihr Gewicht hielt. Erst als das sicher war, blieb sie neben dem Rand stehen und schaute in die Tiefe.
Es waren keine Kellermauern zu sehen, auch kein grauer, staubbedeckter Fußboden. Sie starrte in die Tiefe, in einen Schacht, einen Tunnel hinein, der von einer drückenden Finsternis ausgefüllt worden war, die jeden Augenblick den Schrecken entlassen konnte.
Wenn sie jetzt gefragt worden wäre, sie hätte keine Antwort geben können, weil ihre Kehle wie zugeschnürt war. Nicht einmal ein Krächzen bekam sie hervor.
Es war deshalb so schlimm für sie, weil sie einfach keine Spur mehr von der toten Mrs. Thorpe sah.
Alles wies darauf hin, daß man sie verschluckt hatte…
Himmel, das darf nicht wahr sein! Was ist das für ein Alptraum?! Zitternd ging sie zurück - und schrak wieder zusammen, denn draußen hatte sich etwas verändert.
Die Straßenbeleuchtung brannte jetzt. Sie hatte sich automatisch eingeschaltet. Die Dämmerung wurde zum Teil zerstört, Schatten einfach zerrissen, und hinter dem Fenster hatte das Licht gewechselt. Es zeigte jetzt eine blauweiße künstliche Farbe, beinahe schon wie das aufgedunsene Gesicht der Leiche.
Tricia mußte hier raus. Dieses Haus war eine Todesfalle. Sie wollte nicht als nächste darin landen.
»Clive!« flüsterte sie, als sie der plötzliche Anfall überfiel. »Mein Gott, Clive, was ist mit dir…?«
Er konnte keine Antwort geben, und die Wände des Hauses schwiegen ebenfalls.
Dennoch war es nicht mehr still. Wie angeknipst begann der Ort plötzlich zu leben.
Sie hörte von der Straße her Stimmen. Autos fuhren. Musikfetzen wehten gegen die Hauswände, Rockwell lebte wieder, es war aus seiner Totenstarre von einem Augenblick zum anderen erwacht.
Wie konnte das geschehen?
Tricia preßte beide Hände gegen ihren Magen. Sie fürchtete sich davor, das Haus zu verlassen, aber sie konnte darin nicht länger bleiben, sie mußte etwas tun.
Jemand sollte Bescheid wissen. Es gab hier sicherlich eine Polizeistation, einen Sheriff.
Ja, das war die Lösung. Dieser Sheriff konnte ihr helfen. Er war durch das Gesetz dazu verpflichtet, etwas zu tun. Und er würde ihr auch sicherlich etwas über Clive sagen können.
Dieser Gedanke machte ihr Mut. Wesentlich entschlossener schritt sie der Haustür entgegen.
Aber sie wurde wieder vorsichtig, als sie die Tür aufzog. Erst einmal einen Blick riskieren, vielleicht war alles nicht wahr, vielleicht spielte man ihr etwas vor.
Sie schaute nach draußen.
Daß es kälter geworden war, merkte sie sofort. Der Wind blies ihr seinen Atem ins Gesicht. Er brachte sogar den Geruch von Schnee mit. Das hätte ihr auch noch gefehlt hier eingeschneit zu sein.
An den Straßenrändern brannten die Laternen. Das Licht fiel breit dem Erdboden entgegen, verteilte sich über die Dächer der parkenden Wagen, es glitt die Fahrbahn entlang, es war einfach da, und es war normal.
Wie auch die Menschen, die fuhren oder gingen, sich miteinander unterhielten, als wäre nichts geschehen.
»Bin ich denn verrückt?« fragte Tricia sich selbst. »Habe ich mir das alles nur eingebildet? Hat mir jemand diese Vorgänge als Halluzination zugeschickt?«
Soweit wollte sie nicht gehen. Nein, sie zweifelte nicht an ihrem Verstand. Hier gab es etwas, das unbedingt aufgeklärt werden mußte. Und wenn es nur das Verschwinden ihres Verlobten war.
Sie trat ins Freie und wurde nicht gesehen. Das war auch gut so, denn Tricia fühlte sich mehr als unwohl. Sie hielt die Lippen zusammengepreßt, ihr Gesicht war gespannt, der Körper vibrierte, er war auf einen Angriff eingestellt.
Ihr Wagen verstellte die Einfahrt. Ob es bereits bemerkt worden war, wußte sie nicht. Mit sehr langsamen Bewegungen schob sie sich an dem Chrysler vorbei. Er kam ihr vor wie ein leeres Gehäuse.
Unwillkürlich schaute sie hinein.
Clive befand sich nicht darin. Möglicherweise fand sie ihn auch bei den Bewohnern von Rockwell.
In irgendeiner Kneipe. Sie kannte ihn und seine Vorliebe für einen abendlichen Drink.
Alles war möglich.
Sie schritt auf ihren Wagen zu. Scheinwerferbahnen huschten über die Straße, wenn Autos vorbeifuhren.
Das Leben hatte wieder seinen normalen
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