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0686 - Engel der Finsternis

0686 - Engel der Finsternis

Titel: 0686 - Engel der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Möglichkeiten, die das ewige Leben bot, suchte der alte Mann den Tod, was Smith ihm nicht verdenken konnte, wenn er die letzten hundertsiebzig Jahre in dieser Einöde verbracht hatte. Der Regisseur verstand nicht, warum Duane nicht mehr aus seinem Leben gemacht hatte.
    »Wieso bist du als Unsterblicher so alt?«, fragte er schließlich.
    Duane ging ungerührt weiter. Smith dachte schon, er wolle nicht antworten, da sagte der alte Mann: »Ich war noch ein Kind, als ich das Geschenk empfing. Der Priester wollte es mir zuerst nicht geben, weil er nicht wusste, wie Kinder darauf reagieren. Meine Mutter bestand jedoch darauf, und so tat er es. Ich wurde unsterblich wie die anderen, aber mein Körper alterte langsam weiter. Eines Tages werde ich so alt sein, dass nichts mehr als Staub übrig ist, aber ich werde immer noch leben.«
    Smith spürte, wie sich die Haare in seinem Nacken aufstellten. Der Gedanke, auf ewig so leben zu müssen, erschreckte ihn.
    Zum wiederholten Mal an diesem Tag wünschte sich Smith eine Kamera, um den alten Mann zu interviewen. Allein mit der Aufzeichnung seines »Selbstmordes« hätte er eine Sensation gehabt. So hatte er leider nur eine Geschichte, die ihm niemand glauben würde.
    Der Gedanke an die Kamera brachte die Erinnerung an sein Team zurück. Smith spürte einen Hauch schlechten Gewissens, als ihm bewusst wurde, dass er keinen einzigen Gedanken an die Toten verschwendet hatte. Aber das machte nichts, entschied er, denn wenn er seinen Film über diesen Ort abschloss, würde ganz Amerika sich an ihre Namen erinnern.
    »Wir sind da«, sagte Duane.
    Smith blieb erschöpft stehen. Der lange Weg hatte ihm sämtliche Kraft abverlangt. Vor ihm lag eine kleine Lichtung, die an drei Seiten von Wald umgeben war. Die vierte Seite führte hinaus auf eine offene Ebene, die bis zum Horizont zu reichen schien.
    Mitten auf dieser Ebene parkte ein schwarzer Jeep Cherokee, dessen Scheinwerfer eingeschaltet waren und die Lichtung anstrahlten. Smiths Blicke blieben an dem Wagen hängen. Wenn er den nur bekommen könnte, um zurück nach Billings zu fahren, wo der Rest seiner Ausrüstung lag…
    »Ich würde dich gerne begrüßen, wenn du damit fertig bist, meinen Wagen zu bewundern«, sagte eine dunkle Stimme.
    Smith drehte den Kopf und sah einen hageren Indianer, der einige Meter entfernt aus dem Schatten der Bäume trat. Er war groß, trug einen grauen Anzug, eine verspiegelte Sonnenbrille und hatte das blauschwarze, glatte Haar im Nacken zusammengebunden.
    Als er näher kam, bemerkte Smith eine seltsame Verwachsung auf seinem Rücken, die wie ein Buckel aussah.
    Der Indianer lächelte breit. »Es freut mich wirklich, dich kennen zu lernen. Mein Name ist Hanhepi, aber wenn dir das zu kompliziert ist, kannst du mich Vince Realbird nennen. Du bist Alan, nicht wahr?«
    Woher weiß er das?, fragte sich Smith verwirrt.
    Automatisch machte er ein paar Schritte auf den Indianer zu und streckte die Hand aus.
    Und stieß gegen eine Wand.
    »Du musst einfach den Punsch probieren. Margaret hat ihn extra für diesen Anlass zubereitet.«
    »Nein, danke«, erwiderte Zamorra mit gequältem Lächeln. »Ich bin nicht durstig.«
    Die unbekannte Frau lächelte zurück. »Dann komme ich eben später noch mal vorbei. Glaub nicht, dass du so einfach davonkommst.«
    »Da bin ich mir sicher.«
    Sie lachte schrill und verschwand in der Menge. Mit einem Stoßseufzer der Erleichterung lehnte sich Zamorra auf seinem Stuhl zurück und schloss die Augen.
    Vielleicht lassen sie mich ja jetzt für wenigstens fünf Minuten in Ruhe, dachte er genervt.
    Seit er mit Howard in die Stadt zurückgekommen war, belagerten ihn die Einwohner wie einen Filmstar. Der Dämonenjäger konnte keinen Schritt gehen, ohne angesprochen, begrüßt oder ausgefragt zu werden. Wildfremde wollten ihn zum Bier einladen und mit ihren Cousinen verkuppeln. Sie ließen Zamorra keine Zeit, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
    Was der Sinn der Übung war, wie er vermutete.
    Der bisherige Höhepunkt dieser Ablenkungstaktik war ein Überraschungsfest, auf das er unter Vorspiegelung falscher Tatsachen - Howard behauptete, ihm etwas Interessantes zur Geschichte der Stadt zeigen zu wollen - gelockt worden war. Alle Ausreden, die der Parapsychologe angebracht hatte, waren mit der gleichen erstickenden Freundlichkeit zur Seite gewischt worden. Er hatte den Eindruck, man hätte ihn auch mit Gewalt davon abgehalten, das Fest zu verlassen.
    Über siebzig Menschen

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