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0688 - Der Kult

0688 - Der Kult

Titel: 0688 - Der Kult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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davon überzeugt war, nur durch ihn die Welt begreifen zu können.
    Er war abgerutscht. Er war hineingeglitten in die Tiefen der Hölle. Die Unterwelt hatte ihn aufgenommen, ihn tief in ihre Gefilde hineingezogen und wieder ausgespieen. Und jetzt war er zurückgekehrt, um Tod und Vernichtung zu bringen.
    Bogan Kulani drehte sich mit schwerfälligen Bewegungen um. Sein Gesicht wirkte plötzlich so grau und zittrig wie das der bemalten Puppe. Sein Blick war leer, obwohl es in seinen Augen feucht schimmerte und das Tränenwasser sehr bald an seinen Wangen herab nach unten rann, um sich unter dem Kinn zu vereinen.
    Als er seine Füße anhob, um zu gehen, da merkte er, wie sehr die Beine zitterten.
    An der Kante des Schreibtisches mußte er sich abstützen. Dabei fiel sein Blick zwangsläufig auf die auf dem Rücken liegende Puppe mit den aus dem Körper ragenden Nägeln.
    Zuerst wollte er nicht glauben, was er sah, weil es für ihn einfach so gut wie unmöglich war.
    Trotzdem, es blieb, er hatte sich nicht geirrt. Seine Augen spielten ihm keinen Streich.
    Genau an den Einstichstellen der Nadel sah er die braunroten Flecken. Sie erinnerten ihn an rostiges Blut.
    Kulani blieb stehen, ohne sich zu rühren. Er lauschte dem Echo seines Herzschlags, das in seinem Kopf ein dumpfes Pochen hinterließ. Bogan wußte keine Erklärung für dieses Phänomen. Er hatte sich voll und ganz auf den Zauber der Puppe verlassen, doch nun mußte er sich eingestehen, daß er möglicherweise einem Irrtum unterlegen war. Allein die Anwesenheit des Scherenmanns und die seines Bruders hatten für eine Veränderung der Puppe gesorgt.
    Kulani erinnerte sich daran, wie er die Nadeln in das weiche Holz gedrückt hatte. Dabei war kein Blutstropfen zu sehen gewesen. Jetzt aber bildeten sie rostrote Ränder um die Einstichstellen. Der Beweis, daß die andere Seite die Puppe manipuliert hatte, lag greifbar vor ihm.
    Mit einer schon zärtlich anmutenden Bewegung hob er die an und legte sie auf seine Handfläche.
    Das Holz war leicht, die Puppe wog nicht viel. Selbst das Gewicht der Nägel machte ihr kaum etwas aus. Bogans Augen brannten. Seine Tränen kamen ihm vor wie Seifenwasser. Er fühlte sich einsam und von allen verlassen. Sehr sorgfältig wickelte er die Puppe wieder in den Stoff ein und steckte sie in die tiefe Außentasche seiner Jacke.
    Dann ging er zur Tür.
    Dabei überkam ihn das Gefühl, daß er es nicht selbst war, der den Weg nahm. Er kam sich vor wie ein Fremder. Die Kälte war nicht mehr, im Raum herrschte wieder die normale Temperatur. Dennoch steckte die Furcht vor der Zukunft in ihm.
    Als er öffnete, störte ihn das Knarren der Angeln. Irgendwann würde jemand die Türen ölen müssen.
    Sie wartete auf ihn.
    Sie saß auf einem Stuhl, den Blick starr gegen ihn gerichtet, und als Kulani seine Tochter anschaute, da durchfloß ihn das Gefühl des Stolzes.
    Seine Frau hatte erst ziemlich spät Kinder bekommen. Shida war die Jüngste aus dem Clan und die Schönste.
    Wie eine Blume wirkte sie in ihrer gelben, weit geschnittenen Bluse. Das dunkle Haar hatte sie hinter den Ohren zur Seite gekämmt und im Nacken zusammengebunden. Dort wurde die Flut von einem gelben, weichen Samtring gehalten.
    Die schwarzen Leggins mit dem ebenfalls gelben, grünen und orangen Farbmuster umstrichen die sehr schlanken Beine. Sie kamen zum Vorschein, als Shida aufstand.
    Ihr Vater hatte es bedauert, daß sie den anderen, den modernen Weg eingeschlagen hatte. Er hatte aber auch einsehen müssen, daß sie zu einer anderen Generation gehörte und er nicht das Recht besaß, sich in ihr Leben einzumischen. Trotz allem hatte sie die Verbindung zur Familie nie verloren, wenn sie gebraucht wurde, dann war sie auch zur Stelle.
    Shida nickte ihrem Vater zu. »Du… du siehst nicht gut aus, Vater? Du hast es nicht geschafft?«
    Er kam sich plötzlich so hilflos vor. Früher war er immer der Starke gewesen, der seine Familie beschützte, aber jetzt sah er sich selbst als nutzlos an.
    »Er ist sehr stark«, flüsterte er. »Sehr, sehr stark. Wir können nichts dagegen tun.«
    »Aber du hast…«
    Er ließ Shida nicht ausreden. Ihr Gesicht mit der wunderschönen weichen Haut zeigte eine leichte Furcht. »Ja, du hast recht, meine Tochter. Du hast so recht. Aber es gibt leider gewisse Dinge im Leben, denen muß man sich stellen. Mich und damit auch euch hat eine schreckliche Vergangenheit eingeholt. Mit deinem Bruder begann es, er ist das erste Opfer geworden, andere werden

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