0697 - Der Leichenholer
wollen, denen nicht aufgefallen war, dass sich ihre beiden oberen Eckzähne so schaurig verändert hatten.
»Wir müssen uns die Arbeit teilen!«, flüsterte mir Suko zu. »Ich gehe davon aus, dass auch Rafugil ein Blutsauger ist. Einer muss sie ja in Vampire verwandelt haben. Wer nimmt die Frauen, wer nimmt ihn?«
»Ist mir egal.«
»Dann kümmere ich mich um ihn.«
»Von hier aus?«
Suko schüttelte den Kopf. »Nein, ich werde versuchen, in seinen Rücken zu gelangen.« Suko schaute sich um und suchte bereits nach dem richtigen Weg. »Sollte dieser Leichenholer hier erscheinen, werde ich ihm einen Empfang bereiten.«
»Okay, viel Glück.«
Mein Freund verschwand auf leisen Sohlen. Ich konnte mich wieder voll und ganz auf die vier Blutsaugerinnen konzentrieren, die es tatsächlich geschafft hatten, die Bilder zu verlassen. Und sie alle standen neben den Personen, die die Gemälde ersteigert hatten, sich aber sehr unwohl fühlten, was wir an ihren Gesichtern ablesen konnten, die uns bleich vorkamen und deren Haut wie dünnes Papier über die Knochen gezogen worden war.
Die Bilder hatten jeweils ein Loch.
Und jedes hatte genau die Körperform der aus ihnen gestiegenen Person.
Ich konnte es noch immer nicht richtig nachvollziehen, aber die Vergangenheit spielte jetzt keine Rolle mehr. Alles war ein Atemholen gewesen, um zuschlagen zu können, denn nun würde der Maler ins Finale einsteigen.
Er verhielt sich nach wie vor geschickt und stand im Dunkeln. Deshalb war auch sein Gesicht nicht zu erkennen. Hätte er sich gezeigt und möglicherweise gelächelt, wäre den Leuten aufgefallen, welchen Hai sie sich da in die Gewässer geholt hatten.
Aber es kam anders.
Es begann mit Schritten.
Sie wurden sehr laut, ja, bewusst laut gesetzt, und wir hörten sie praktisch hinter uns. Derjenige, der sich dem Schauplatz näherte, schritt durch die Ausstellungshalle und trat so auf, als wäre er bei dieser Ausstellung ein Ehrengast.
Die Besucher hatten ihn gehört, nur war niemand da, der sich umzudrehen traute.
Ich aber wandte den Kopf. Nur für einen Moment, weil das andere wichtiger war.
Ich sah ihn, aber ich erkannte ihn nicht. Es war eine Gestalt, wahrscheinlich ein Mann, dunkler als die Beleuchtung. Jemand, der sehr zielstrebig schritt und genau wusste, was er wollte.
Ich dachte sofort an den Leichenholer, und mir rann ein Schauer über den Rücken.
Er ging weiter. Die Hälfte der Halle hatte er bereits durchquert. Noch wenige Schritte, dann musste er in den ersten Bereich der Lampe gelangen.
»Der ist ja nackt!«, rief jemand.
Keiner gab Antwort, aber der Rufer hatte sich nicht getäuscht, denn die Person - ein Mann - sah tatsächlich nackt aus. Er trug nur einen Lendenschurz um seine Hüften, und er bewegte sich wie jemand, der nur ein Ziel kannte.
Wer war dieser Mann?
Ich musste noch Sekunden warten, bis er den Lichtschein erreicht hatte und angestrahlt wurde.
Es traf mich wie ein Keulenschlag.
Ich kannte den Halbnackten.
Es war Barry F. Bracht, auch bekannt als Zebulon, der Schattenkrieger.
***
Natürlich peitschten Erinnerungen in mir hoch. Ich dachte an Jericho, an den Knochenmond, ich dachte an die Macht der Träumer, wo Bracht eine besondere Rolle spielte, denn sein Schicksal war es, in einer Doppelexistenz zu existieren.
Wenn er in einen tiefen Schlaf fiel, löste sich sein Astralkörper und schaffte es, Welten zu durchwandern, wobei er ebenfalls in der unserigen bleiben konnte.
So wie jetzt, denn er kam nicht als Barry F. Bracht, sondern als Zebulon auf uns zu.
Und er musste der Leichenholer sein!
Mir fiel zwar kein Stein vom Herzen, aber ich wusste zumindest, dass er mir nicht als Feind gegenüberstand. Er, Suko und ich hatten gemeinsam gegen diesen mächtigen Dämon gekämpft, ohne ihn letztendlich besiegen zu können.
Aber Barry F. Bracht war sicherlich nicht allein auf den Dämon Jericho konzentriert, er bekämpfte die Wesen aus der Schattenwelt, er war ein Dämonenhasser.
Und er ging weiter.
Er kümmerte sich um nichts. Die Besucher schienen für ihn nicht existent zu sein.
Und wie reagierten sie?
Schweigend, ängstlich, denn sie schufen ihm eine Gasse, damit er seinen Weg fortsetzen konnte.
Für mich stand fest, dass er zu den Bildern hinwollte. Nur sie waren für ihn interessant - oder wollte er sich um die vier Blutsaugerinnen kümmern?
Sie waren ebenfalls aus dem Konzept gebracht worden und standen nicht mehr so da wie noch vor Sekunden. Sie hatten sich in seine Richtung
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