0698 - Der Ghoul aus dem Gully
Wagen zurückgekehrt. »Wir sind soweit, daß wir nach jedem Strohhalm greifen müssen.«
»Wann fangen wir damit an.«
»In dieser Nacht noch?«
Ich lächelte kantig. »Harry, ich sage dir, daß sie verflucht lang wird. Hol deine Männer zusammen…«
***
Die Mädchen protestierten nicht, als sie in die Wagen verfrachtet wurden. Man hatte ihnen erklärt, daß es auf sie ankam, ob der Mörder gefaßt werden konnte oder nicht.
So ganz begriffen hatten sie das auch nicht, aber auf Einzelheiten würden wir später zurückkommen.
Harry Stahl rief im Präsidium einige Kollegen zusammen und weihte sie in den Fall ein. Er machte ihnen deutlich, wonach sie zu fragen hatten und daß es nicht um den Job der Mädchen ging.
Alle Aussagen sollten auf Band aufgenommen werden, damit wir sie anschließend vergleichen konnten. Wie gesagt, es war nur ein sehr dünner Strohhalm, und ich hoffte stark, daß er nicht zusammenbrach.
Harry Stahl und ich teilten uns einen Verhörraum. Mir gegenüber saß das Mädchen Linda, Harry hatte es mit einer jungen Polin zu tun, die kaum Deutsch sprach. Zum Glück sprach er einigermaßen Polnisch, so daß die beiden zusammenfanden.
Linda trank Wasser aus einer Plastikflasche, rauchte Kette und tastete hin und wieder nach der Beule an ihrer Stirn, die sie sich angeblich von einem Sturz gegen die Tür zugezogen hatte. Ich kannte die richtige Lösung.
Draußen war es dunkel. Noch immer wallten die Dunstschwaden. Das Licht einiger weniger Laternen drang nur schwach gegen die Scheiben des Raumes, in dem wir hockten.
Die Luft war feucht und gleichzeitig zum Schneiden dick. An den Wänden sah ich einige viereckige helle Flecken. Dort hatten früher die Bilder der DDR-Größen gehangen.
»Sie sind okay, Linda?«
»Ein wenig.«
»Gut, dann wollen wir mal sehen, daß wir zusammen etwas auf die Beine bringen. Zuerst möchte ich Ihnen erklären, mit wem wir es zu tun haben. Es ist ein sogenannter Ghoul. Der Name wird Ihnen möglicherweise nichts sagen. Was ich Ihnen nun mitteile, ist schwer zu begreifen, entspricht aber leider den Tatsachen. Ein Ghoul ist ein Aasfresser, wobei er vor Menschen nicht haltmacht.«
Das Mädchen bekam eine Gänsehaut, aber ich blieb am Ball und sagte ihr, was sie wissen mußte.
Einige Male schluckte sie, wischte auch fahrig durch ihr Gesicht, räusperte sich, war aber nicht in der Lage, auch nur ein Wort hervorzubringen. In ihren Augen leuchtete die Furcht, ich merkte ihre innerliche Angst vor den Tatsachen, und manchmal drehte sie den Kopf, um zu Boden zu schauen.
»Und eine derartige Bestie suchen wir«, erklärte ich zum Abschluß.
Sie sah mich an, griff zu den Zigaretten, steckte sich das Stäbchen zwischen die Lippen. Ich gab ihr Feuer, sie rauchte und schüttelte den Kopf.
»Was bedeutet das?«
»Den… den habe ich nie gesehen, Herr Sinclair.«
»Das glaube ich Ihnen gern, Linda. Wir suchen ja auch nicht den Ghoul in dieser Gestalt. Wie ich Ihnen schon sagte, kann dieses Wesen in zwei Gestalten auftreten. Sowohl als Mensch als auch als schleimiges Monstrum. Der Mensch gerät irgendwann in einen Zustand der Verwandlung. Dann kann er nicht anders. Da tritt der Schleim aus seinem Körper, dann wird er zum Ghoul.«
»Auch das habe ich nicht gesehen.«
Ich beugte mich vor, legte beide Hände auf den schmalen Tisch, der zwischen uns stand. »Das glaube ich Ihnen gern. Aber wir gehen davon aus, daß diese Bestie sich in dem Gebiet auskennt, wo Sie mit Ihren Wagen stehen. Ich habe auf dem alten Friedhof in der Nähe seine Hütte entdeckt, und wir könnten uns vorstellen, daß der Ghoul auch mal in seiner menschlichen Gestalt bei euch vorbeigekommen ist.«
Sie zuckte zurück. »Als Freier?«
»Zum Beispiel!«
»Nein«, erklärte sie sofort. »Nein, das ist nicht wahr. Ich habe ihn niemals gesehen. Er ist mir nicht aufgefallen. Ich habe ihn auch nicht gerochen.«
»Augenblick«, sagte ich und lächelte. »Er riecht nicht immer. Wir suchen nach einer Person, die wir nicht kennen, das steht fest. Wir suchen aber auch nach einer Person, die Sie möglicherweise kennen, ohne es zu wissen, und deshalb müssen wir das Problem einkreisen. Ich will nicht in Ihre Geschäftsgeheimnisse eindringen, aber am heutigen Abend lief so gut wie nichts.«
»Stimmt.«
»Und wie war es sonst?«
Linda hob die Schultern und schaute zu Harry Stahl hinüber, der leise mit der Polin sprach. »Mal gut, mal schlecht. In letzter Zeit waren viele Wessies hier in Leipzig, da hatten wir
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