0698 - Karneval des Todes
des Ozonlochs, der Überbevölkerung und der Umweltzerstörung. Und wir machen munter weiter, als ob das ganze Leben eine einzige Party wäre…
Die Magierin von Cannaregio schwankte. Nicole hielt ihre Gastgeberin fest. Die Dämonenjägerin konnte später über den Zustand der Welt nachgrübeln. Falls ihr dann noch der Sinn danach stand. Jetzt musste sie sich erstmal auf handfeste Probleme konzentrieren. Zum Beispiel, dieser Frau zu helfen!
»Sie sollten sich besser setzen oder hinlegen«, riet Nicole.
Claudia Salvador nickte. Sie schien Schmerzen zu haben.
Die Dämonenjägerin führte ihre Gastgeberin zwischen den Zwergen, Feen und Geistern hindurch in die Halle. Claudia bat, in ihren Privatsalon gebracht zu werden.
Das tat Nicole.
Der kleine Raum war verspieltverschnörkelt im Barockstil eingerichtet. Um Licht zu bekommen, musste man die Kerzen in einem großen eisernen Leuchter entzünden. Das wirkte romantisch und gruselig zugleich. Nicole übernahm diese Arbeit.
Claudia ließ sich stöhnend auf ein Kanapee nieder. Sie schien zu frieren.
»Soll ich Ihnen eine Decke holen?«, fragte Nicole.
»Ja, dort drüben in der Kommode sind einige.«
Die Französin kam mit einer Wolldecke zurück.
Die Magierin von Cannaregio lächelte ihr zu.
»Vielen Dank. Normalerweise macht Emilio solche Dinge für mich. Aber er ist ja hinter diesem Arlecchino her… ich hoffe, das geht gut.«
»Bestimmt«, beeilte sich Nicole zu versichern. »Außerdem ist Zamorra ja auch noch da. Wenn Emilio Schwierigkeiten hat, wird mein Chef ihn gewiss heraushauen!«
»Das ist gut. Emilio ist nämlich wie ein Sohn für mich. Eigentlich ist er ja nur ein Lehmklumpen. Aber er hat schon so viel für mich getan. - Sie wissen, wie man einen Golem macht?«
»Theoretisch schon.« Nicole setzte sich in einen Sessel, der neben dem breiten Sofa stand. »Man formt einen menschenähnlichen Körper aus Lehm und erweckt ihn mit einem Magiewort zum Leben.«
Claudia Salvador nickte.
»Genauso ist es. Und trotzdem fühle ich mich Emilio viel mehr verbunden, als wenn… hm…«
Die Zauberin unterbrach sich selbst. Nicole spürte, dass sie kurz davor war, ein schwer wiegendes Geständnis zu machen.
Einige lange Augenblicke der Stille verstrichen. Man hörte nur den Partylärm, der weit entfernt erklang. Wie durch einen Filter drang er an die Ohren der beiden Frauen. Es war sehr still in dem Salon. Die Atmosphäre wirkte auf Nicole beinahe unwirklich. Vielleicht trug auch das unruhig flackernde Kerzenlicht dazu bei.
»Ich habe nicht die ganze Wahrheit gesagt«, begann Claudia. »Vorhin, als ich Ihnen von meiner Vergangenheit berichtet habe. In der Kammer der Schmerzen.«
»Habe ich mir schon gedacht.«
»Wieso das, Signorina Nicole?«
Die Dämonenjägerin zuckte mit den Schultern.
»Nennen Sie es Menschenkenntnis. Sie habe viele grässliche Dinge erlebt. Aber manche Erlebnisse sind einfach unaussprechlich.«
Die Magierin nickte.
»Sie sind wirklich eine sehr kluge Frau, Signorina Nicole. Ich möchte mich Ihnen jetzt anvertrauen. Auch wenn es nicht leicht fällt. - Als meine Lehrmeisterinnen mich damals vor dem schwarzen Dämon gerettet hatten, kamen sie ein wenig zu spät. Da war er schon über mich hergefallen. Und ich wurde schwanger.«
»Oh Gott«, flüsterte Nicole.
»Es wuchs ein seltsames Wesen in mir«, fuhr die Magierin mit tonloser Stimme fort. »Aber weder ich noch meine Lehrmeisterinnen wollten es töten. Schließlich brachte ich es zur Welt. An diesem Tag wäre ich fast selbst gestorben.«
Wieder lastete ein dumpfes Schweigen über dem Salon.
»Was… was ist aus dem Wesen geworden?«, fragte Nicole.
»Es ist immer noch hier. In diesem Palazzo. Es lebt. Wenn man diese Art von Existenz als Leben bezeichnen möchte. Wir verbergen es in einer kleinen Metallkammer vor der Welt. Ganz unten im Palazzo. Gleich über den Pfählen, auf denen dieses Gebäude errichtet wurde.«
»Ist es… böse?«
Die Magierin nickte düster.
»Böse wie die Sünde.«
Nicole wusste nicht, was sie sagen sollte. Diese Magierin hatte wirklich Unglaubliches erleben müssen. Doch allzu sehr konnte sich die Dämonenjägerin nicht auf das soeben Gehörte konzentrieren.
Denn nun wurde direkt hinter ihnen ein Fenster eingeschlagen.
Und eine kostümierte Gestalt fiel inmitten eines Scherbenregens in den Salon!
***
Zamorra und Emilio hatten den Arlecchino in die Zange genommen. Sie wollten verhindern, dass er noch einen schäbigen Trick versuchte.
Jedenfalls
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