0699 - Das Erwachen der Hexe
heimtückische Schütze wartete ab.
Er konnte ebenso wenig sehen wie wir, und das schien ihn zu verunsichern. Er würde nicht wissen, ob er uns getroffen hatte.
Es wurde spannend - und es blieb ruhig.
Vielleicht eine halbe Minute verging. In der Finsternis dehnte sich die Zeit.
Dann hörten wir ihn wieder.
Er kam näher.
Schritt für Schritt.
Unter seinen Sohlen knirschte es. Und er musste schon verdammt nahe an unser Grab herangekommen sein, denn ich hörte durch die Schritte sein heftiges Atmen.
Dann klang seine Stimme auf.
»Ich kriege euch!«, keuchte er. »Wenn ihr nicht tot seid, pumpe ich euch mit Blei voll!« Er kicherte.
»Die Schattenkirche wird mir auf ewig dankbar sein.«
Neben mir bewegte sich Suko so lautlos wie möglich. Er streckte den rechten Arm aus - die Beretta hatte er wieder verschwinden lassen - und umklammerte mit den Fingern den Grabrand. Kurz nur drehte er den Kopf.
Ich nickte…
Es war ein Risiko. Wenn Suko das magische Wort rief, blieben ihm fünf Sekunden Zeit, um alles ins Reine zu bringen.
Dazu musste der Killer aber nahe genug herangekommen sein. War er zu weit weg, konnte es ins Auge gehen.
Er stand noch immer.
Ein Geräusch erreichte unsere Ohren. Es hörte sich an, als hätte er mit der flachen Hand gegen seine Waffe geschlagen, um ihr einen aufmunternden Klaps zu geben.
»Jetzt mache ich euch alle!«
Er schoss nicht, er ging vor.
Und da handelte Suko.
Ein Wort nur brauchte er zu rufen, und das zitterte über die kahlen Kellerwände wie ein schauriges Echo oder ein lang gedehnter Schrei der Hoffnung.
»Topar!«
Eine halbe Sekunde später jagte Suko wie ein Irrwisch aus der Graböffnung…
***
Wichtig für den Inspektor war das Licht. Er musste einfach sehen, wo sein Gegner stand, und Suko hoffte, dass es nicht zu weit entfernt war und er die Zeitspanne von fünf Sekunden nutzen konnte.
Suko stand noch nicht mit beiden Füßen vor dem Grab, als er die Leuchte anknipste.
Ein Mann in schwarzer Kleidung war zu erkennen.
Von John Sinclair wusste Suko, dass beide beim Überfall beteiligte Typen dunkle Sachen getragen hatten, als hätten sie damit ihre Gesinnung dokumentieren wollen, und für ihn stand fest, dass er einen der beiden vor sich hatte.
Der Mann hatte ein breites Gesicht. Er war relativ, klein und hielt seine Maschinenpistole mit beiden Händen fest. Die Mündung zeigte in Richtung Grab.
Er rührte sich nicht. Selbst mit den Wimpern zuckte er nicht. Die Magie des Stabs hatte ihn voll erwischt, und er stand auch nicht so weit weg, als dass Suko es nicht mehr geschafft hätte.
Er flog förmlich auf den Kerl zu, stoppte nicht, riss ihn um und zerrte ihm die MPi aus den Händen.
Um den Fall nicht zu schlimm werden zu lassen, hatte Suko ihn mit einer Hand abgefangen, und als der Schießer aufprallte, war die Zeit auch schon vorbei.
Der Mann schlug die Augen auf.
Zwei hektische Bewegungen führten seine Hände aus. Zum einen bewegte sich sein rechter Zeigefinger, aber da war kein Abzug mehr, den er hätte durchziehen können.
Zum anderen wollte er die Waffe noch schwenken. Wieder griff er nur ins Leere.
Und als er hochkommen wollte, schaute er in die Beretta-Mündung. Die Maschinenpistole hatte Suko zur Seite gelegt, seine Beretta war viel handlicher.
»Wenn du dich rührst, ist es aus und vorbei mit dir!«
Der Inspektor erhielt keine Antwort. Der Mann war einfach zu überrascht. Er konnte nicht fassen, dass er plötzlich auf dem schmutzigen Kellerboden lag. Er gab Geräusche von sich, die lächerlich klangen.
Suko schaute zurück.
Ein zweiter Lichtstrahl tanzte über den Boden. Ich hatte das Grab verlassen und war froh darüber, dass Suko die Lage bereinigt hatte.
»Kennst du ihn, John?«
Ich kam näher. »Sicher, es ist mein zweiter Freund, der so scharf darauf war, Tricia Bell zu entführen.«
»Wie schön.«
Wir rahmten den Mann ein. Er lag auf dem Rücken, angestrahlt von unseren Lichtlanzen. Sein Gesicht glänzte, als hätten wir Öl darüber gegossen. Er wagte nicht einmal, seine Hände zu bewegen.
Sie lagen flach auf dem Boden.
Für ihn musste eine Welt zusammengebrochen sein. Er stand unter Schock, und diesen Zustand mussten wir ausnutzen.
Ich kniete mich neben ihn.
»Das war es«, sagte ich leise. »Deine Chance ist vorbei. Du hast auf das falsche Pferd gesetzt.«
Er flüsterte etwas, das ich nicht verstand, und ich fragte ihn nach seinem Namen.
»Ich bin Zengo.«
»Mehr nicht?«
»Ja.«
Ich schüttelte den Kopf. »Lassen
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