0699 - Das Erwachen der Hexe
viele davon nur auf uns warteten.
Natürlich war ich wie ein aus dem Ring geprügelter Boxer in das Büro zurückgekehrt. Ein Versager, der es trotz seiner Routine und Erfahrung nicht geschafft hatte, eine Person vor den Kräften der Dunkelheit zu beschützen.
Niemand machte mir einen Vorwurf. Auch Sir James nicht, mit dem wir den Fall besprachen. Jeder von uns dreien versuchte, konstruktiv zu denken und zu einem optimalen Ergebnis zu gelangen.
Einen zweiten Fehler konnten wir uns nicht erlauben.
»Wir müssen zu diesem Haus hin!«, sagte der Superintendent, und das stand auch für uns fest.
Suko kannte die genaue Anschrift, und wir hatten besprochen, eine Zweiervorhut zu bilden.
Sir James war nicht unbedingt dafür. Er bestand auf Rückendeckung, wenn die Zentrale gestürmt werden musste, aber die beiden Einsatzwagen sollten sich im Hintergrund halten und deren Besatzung erst auf unsere Anweisung hin eingreifen.
Das Haus lag in Chelsea. Wir hatten uns das Gelände zuvor auf einer Spezialkarte angeschaut und festgestellt, dass es sich um einen Eckbau handelte.
Wir hatten mit einem ziemlich großen Gebäude gerechnet und waren schon beinahe darüber enttäuscht, dass der Bau trotz seiner Ecklage doch ziemlich schmalbrüstig wirkte.
Suko und ich hielten uns auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf. Eine dort stehende Plakatsäule sorgte für die nötige Deckung. Von verschiedenen Seiten schauten wir um die Rundung herum.
Es war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Der Betrieb lief völlig normal und wie immer ab.
Autos rollten an dem Eckbau vorbei, stoppten an der Kreuzung, fuhren weiter.
Auch Fußgänger passierten das Gebäude. Die wenigsten nur gönnten ihm einen flüchtigen Blick.
Und einen dunklen Ford Scorpio hatten wir ebenfalls nicht in der Nähe parken sehen.
Ich hatte mir das Gebäude genau angeschaut. Es war alt, seine Fassade ziemlich dunkel. Sie wirkte wie rußgeschwärzt, und die Eingangstür des Hauses war so gebaut worden, dass sie praktisch einen Halbkreis bildete und um die Ecke reichte.
Über ihr ragte ein Erker hervor. Seine Scheiben waren ebenso geschwärzt wie die anderen, wesentlich kleineren Fenster. Niemand betrat das Haus, niemand verließ es. Auf uns machte es einen völlig vergessenen Eindruck.
»Mir schwant Übles«, sagte Suko, als er sich neben mich stellte und den Kopf schüttelte.
»Inwiefern?«
»Dass man uns geleimt hat.«
»Leider.«
»Dann denkst du auch so?«
Er erhielt von mir eine indirekte Antwort. »Wir sollten uns den Bau mal von innen anschauen.«
»Das finde ich auch.«
Wir ließen einen Wagen vorbei und betraten die Straße. Hohe Bäume gaben dem Gehsteig Schutz.
Der Sonnenschein des Vormittags war wieder verschwunden. Von Westen her drängten lange Wolkenberge heran, die wie Schattenzungen aussahen und über den Himmel leckten, als wollten sie das helle Licht in sich aufnehmen.
Wir blieben vor der Tür stehen, schauten hoch und lasen über dem Eingang die Buchstaben, die in das Gestein gehämmert worden waren.
Church of Shadow Suko lächelte knapp. »Da sind wir ja richtig.«
Hinter uns war jemand stehen geblieben. Ein älterer Mann, der eine Schiebermütze trug.
»Wollen Sie da hinein?«
»Ja.«
»Dann gehören Sie auch dazu?«
»Wie meinen Sie das?«
»Zu den komischen Typen, die hier angeblich beten wollen.« Er gab ein Geräusch von sich, das sich wie ein Mittelding zwischen Husten und Lachen anhörte.
»Wer betet denn hier?«
»Verrückte!« knurrte der Mann.
»Nur Verrückte.« Dann lief er so schnell wie möglich weg.
Suko hob die Schultern. »Wahrscheinlich hat er Recht. Nur haben die Verrückten heute leider Ausgang.«
»Bis auf zwei.«
»Sehr witzig.«
Ich deutete auf die Tür. »Kümmere du dich mal um das Schloss.« Es war ebenso schwarz wie die Tür selbst und sah aus, als wäre es angestrichen worden.
Die große Klinke ließ sich nach unten drücken. Wir hatten damit gerechnet, dass die Tür abgeschlossen war, aber Suko lehnte sich kurz dagegen und drückte sie nach innen.
»Na, so was«, murmelte er, »als ob man uns erwartet hätte. Das finde ich ja richtig gut.«
Ich konnte ihm nicht widersprechen.
Wir waren nicht sehr vorsichtig. Suko schob die Tür so weit wie möglich auf. Erwartet hatten wir einen normalen Hausflur oder eine kleine Halle, aber was sich uns da im Schein weniger Kerzenlichter offenbarte, verschlug uns die Sprache.
Das Haus bestand praktisch aus einem großen Raum. Wenn ich nach oben schaute,
Weitere Kostenlose Bücher