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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Schließlich erreichten sie einen stillen Raum mit einer Metalltür, in dem eine neue Wahrnehmung auf sie wartete - Kälte. Jeannie wußte, daß sie angekommen waren.
    Sergeant Coffman sagte: »Möchten Sie vorher irgend etwas? Tee? Kaffee? Eine Cola? Ein Glas Wasser?«
    Jeannie schüttelte den Kopf. »Es geht schon«, antwortete sie.
    »Ist Ihnen nicht gut? Sie sehen so blaß aus. Kommen Sie. Setzen Sie sich.«
    »Ist schon in Ordnung. Ich möchte lieber stehen bleiben.«
    Sergeant Coffman blickte ihr einen Moment lang scharf ins Gesicht, als zweifle sie an ihren Worten. Dann nickte sie dem Constable zu. Der klopfte an die Tür, öffnete sie und verschwand dahinter.
    Sergeant Coffman sagte: »Es dauert nicht lange.«
    Jeannie fand, es habe lange genug gedauert, sich jahrelang hingezogen. Aber sie sagte nur: »Gut.«
    Der Constable blieb keine Minute verschwunden. Als er den Kopf zur Tür herausstreckte und sagte: »Sie sind jetzt soweit«, nahm Sergeant Coffman Jeannie wieder beim Arm, und sie gingen hinein.
    Sie hatte erwartet, sofort mit seinem Leichnam konfrontiert zu werden, gewaschen und hergerichtet, wie das in alten Filmen immer war, mit Stühlen für die Totenwache. Statt dessen jedoch traten sie in ein Büro, in dem eine Sekretärin saß und zusah, wie ein Drucker lange Papierfahnen ausspie. Rechts und links von ihrem Schreibtisch war je eine Tür. Beide waren verschlossen. Ein Mann in Klinikgrün stand, die Hand auf dem Knauf, vor einer dieser Türen.
    »Hier bitte«, sagte er mit gedämpfter Stimme. Er öffnete die Tür, und als Jeannie sich ihr näherte, hörte sie Sergeant Coffman leise fragen: »Haben Sie das Riechsalz?« Sie spürte, wie der Mann in Grün sie beim anderen Arm nahm, und registrierte, wie er »Ja« sagte.
    Drinnen war es kalt. Es war hell. Es blitzte vor Sauberkeit. Und überall rostfreier Stahl. Schränke, Arbeitstische, Wandschränke und eine fahrbare Trage. Sie war von einem grünen Tuch bedeckt, vom gleichen Erbsengrün wie die Kleidung des Mannes, der sie hereingebracht hatte. Sie näherten sich ihr, als befänden sie sich auf dem Weg zu einem Altar. Und genau wie in der Kirche schwiegen sie still, als sie die Trage erreichten, wie von Ehrfurcht überwältigt.
    Jeannie wurde bewußt, daß die anderen auf ein Zeichen von ihr warteten. Darum sagte sie: »Lassen Sie mich sehen«, und der grüne Mann beugte sich vor und schlug das Laken zurück, so daß sie das Gesicht sehen konnte.
    Sie sagte: »Warum ist er so rot?«
    Der Grüne sagte: »Ist das Ihr Mann?«
    Sergeant Coffman sagte: »Kohlenmonoxid färbt die Haut rosig, wenn es in die Blutbahn gelangt.«
    Der Grüne sagte wieder: »Ist das Ihr Mann, Mrs. Fleming?«
    So leicht, ja zu sagen, es hinter sich zu bringen und zu gehen. So leicht, sich herumzudrehen, durch diese Korridore davonzulaufen, sich den Kameras und den Fragen zu stellen, ohne Antworten zu geben, weil es im Grunde keine gab - nie Antworten gegeben hatte. So leicht, sich ins Auto zu setzen und davonfahren zu lassen, um die Sirene zu bitten, damit es schneller ging. Aber sie konnte das Wort nicht bilden. Sie konnte nicht ja sagen. Es schien so einfach. Aber sie konnte es nicht.
    Statt dessen sagte sie: »Ziehen Sie das Laken runter.«
    Der Grüne zögerte. Sergeant Coffman meinte: »Mrs. äh -« und es klang, als hätte sie Schmerzen.
    »Ziehen Sie das Laken runter.«
    Sie konnten es nicht verstehen, aber das machte nichts, denn in wenigen Stunden schon würden sie in ihrem Leben nichts mehr zu suchen haben. Kenny hingegen würde immer bei ihr sein: in den Gesichtern ihrer Kinder, in einem unerwarteten Schritt auf der Treppe, im Peitschenknall eines Lederballs, wenn irgendwo auf der Welt auf kurzgeschorenem grünen Rasen das Holz ihn traf, so daß er hoch in die Luft stieg und weit über die Spielfeldgrenze hinausgetragen wurde.
    Sie merkte, daß Sergeant Coffman und der Grüne einen Blick tauschten, während sie überlegten, was sie tun sollten. Aber wenn sie auch den Rest sehen wollte, so war das ihre Sache, oder nicht? Diese Leute ging das überhaupt nichts an.
    Bei den Schultern des Toten beginnend, schlug der Grüne mit beiden Händen das Laken zurück, sehr ordentlich, penibel darauf bedacht, daß jeder Umschlag exakt zehn Zentimeter breit war, und so langsam, daß er sofort innehalten konnte, falls sie ihm sagen sollte, sie habe genug.
    Nun würde sie genug bekommen. Das wußte Jeannie im selben Moment, als sie erkannte, daß sie den Anblick des toten Kenny

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