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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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übereinanderlagen, faltete, faltete noch einmal, stapelte, glättete. Er beobachtete sie: Ihre rechte Hand begann zu zittern; sie senkte sie in ihren Schoß und arbeitete nur mit der linken weiter.
    »Ich mach das schon«, sagte er.
    »Ein paar Blätter sind naß geworden. Von der Milch. Tut mir leid. Du hast die Zeitung noch nicht gelesen.«
    »Das macht doch nichts, Livie. Es ist ja nur eine Zeitung. Ich kann mir eine neue besorgen, wenn es sein muß.« Er hob ihre Schale hoch. Schon beim Frühstück hatte sie nur lustlos in ihren Cornflakes herumgestochert und, soweit er jetzt sehen konnte, sie auch später kaum angerührt.
    »Bist du immer noch nicht hungrig?« fragte er. »Soll ich dir ein Ei kochen? Oder möchtest du ein Brot? Wie war's mit Tofu? Ich könnte dir einen Salat mit Tofu machen.«
    »Nein.«
    »Livie, du mußt etwas essen.«
    »Ich hab keinen Hunger.«
    »Das ist egal. Du weißt, daß du -« »Was? Daß ich bei Kräften bleiben muß?«
    »Zum Beispiel. Ja. Das ist kein schlechter Gedanke.«
    »Das willst du doch gar nicht, Chris.«
    Er hatte gerade die Essensreste in den Mülleimer geworfen und drehte sich nun langsam nach ihr um. Er betrachtete ihr eingefallenes Gesicht und ihre teigige Haut und fragte sich, warum sie gerade diesen Moment wählte, um ihn anzugreifen. Gewiß, sein Verhalten am Morgen war nicht in Ordnung gewesen - sein Faulenzen war auf ihre Kosten gegangen -, aber es war nicht Livies Art, blind und grundlos mit Beschuldigungen um sich zu werfen. Und Gründe hatte sie keine. Dafür hatte er gesorgt.
    »Was ist eigentlich los?« fragte er sie.
    »Wenn meine Kräfte schwinden, verschwinde ich auch.«
    »Und du glaubst, daß ich mir das wünsche?«
    »Warum nicht?«
    Er stellte die leeren Schüsselchen in die Spüle und kam an den Tisch zurück, um Zuckerdose und Milchkrug zu holen. Er stellte beides auf die Arbeitsplatte. Dann ging er wieder zu ihr und setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. Ihre linke Hand war zu einer losen Faust geballt. Er faßte über den Tisch, um sie zu berühren, doch sie zog ihre Hand weg. Und da sah er es. Schon wieder zitterte ihr rechter Arm. Die Muskeln von ihrer Hand bis hinauf zu ihrer Schulter bebten. Kälte überfiel ihn, als hätte eine Wolke nicht nur die Sonne verdunkelt, sondern wäre klamm und bedrückend auch in die Kajüte eingedrungen. O Mist, dachte er und nahm sich eisern zusammen, um sachlich zu bleiben.
    »Wie lange geht das schon?« fragte er.
    »Was?« »Du weißt schon.«
    Sie bewegte die linke Hand und starrte die Finger an, die sich um ihren abgewinkelten rechten Ellbogen schlossen, als könnte sie durch den Blick ihrer Augen und den unzulänglichen Druck, den auszuüben sie fähig war, ihre Muskeln beherrschen.
    »Livie«, sagte er. »Ich möchte es wissen.«
    »Ist doch gleich. Was spielt das schon für eine Rolle?«
    »Ich bin mitbetroffen, Livie.«
    »Aber nicht mehr lang.«
    Er hörte vieles aus den wenigen Worten heraus. Sie sprach von seiner Zukunft, von ihrer Zukunft; von den Entscheidungen, die sie getroffen hatte, und von dem wahren Grund dafür. Zum erstenmal, seit sie in sein Leben getreten war, verspürte Chris eine Aufwallung echter Wut.
    »Du hast also gelogen«, sagte er. »Es hat mit dem Boot überhaupt nichts zu tun. Mit der Größe der Türen. Oder der Notwendigkeit eines Rollstuhls.«
    Sie schob die Finger vom Ellbogen zum Handgelenk hinunter.
    »Stimmt's?« fragte er scharf. »Das war gar nicht der Grund, richtig?« Wieder griff er über den Tisch, um sie zu packen. Und wieder fuhr sie zurück. »Wie lange geht das schon? Los, Livie, sag es mir? Wie lange hast du es schon im Arm?«
    Sie starrte ihn einen Moment an, so mißtrauisch wie jedes der Tiere, die er gerettet hatte. Dann umfaßte sie die rechte Hand mit der linken und hob beide an die Brust. »Ich kann nicht mehr arbeiten«, sagte sie. »Ich kann nicht kochen. Ich kann nicht saubermachen. Ich kann nicht mal mehr bumsen.«
    »Wie lange?« bohrte er weiter.
    »Aber letzteres hat dich ja nie gestört, nicht?«
    »Sag schon!«
    »Ich könnte dir wahrscheinlich noch einen blasen. Aber als ich's das letztemal versucht hab, wolltest du nicht, weißt du noch? Jedenfalls nicht von mir.«
    »Hör auf mit dem Quatsch, Livie. Was ist mit deinem linken Arm? Hast du es da auch? Verdammt noch mal, du kannst einen Rollstuhl überhaupt nicht benutzen, und das weißt du auch. Warum, zum Teufel -«
    »Ich gehöre nicht mehr zum Team. Ich bin abgelöst worden. Es wird Zeit,

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