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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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vor den Buckingham-Palast stellen und mit den Bäuchen wackeln.
    Als Max meinte, es sei Zeit, Mutter von meiner Krankheit zu unterrichten, widersetzte ich mich daher. Bringt mich ins Krankenhaus, sagte ich. Sucht mir ein Pflegeheim. Setzt mich auf die Straße. Aber sagt dieser alten Hexe kein Wort über mich. Ist das klar?
    Danach wurde nicht wieder von Mutter gesprochen. Doch der Keim war gelegt, und das war vielleicht überhaupt Max' Absicht gewesen. Wenn ja, dann hatte er es äußerst schlau angefangen: Du sollst es ja deiner Mutter gar nicht um deinetwillen sagen, Mädel. Das ist nicht der springende Punkt. Wenn du es ihr sagst, dann tu es für Chris.
    Chris. Gibt es denn etwas, das ich für Chris nicht täte?
    Bewegung, Bewegung. Gehen. Laufen. Gewichte heben, endlose Treppen steigen. Ich würde jenes eine Opfer sein, das die Krankheit besiegte. Und auf die phantastischste Art. Nicht wie Hawking, bei dem ein genialer, messerscharfer Geist in einem erstarrten Körper gefangen war. Ich würde meinen Geist beherrschen, ihn zum Herrn über meinen Körper machen und über Zuckungen, Zittern, Krämpfe und Schwäche triumphieren.
    Anfangs schritt die Krankheit langsam fort. Die Tatsache, daß man mir das vorausgesagt hatte, verdrängte ich einfach und nahm das langsame Fortschreiten der Krankheit als ein Zeichen dafür, daß mein Programm der Selbstheilung wirkte. Schaut, schaut, verkündete jeder meiner Holper-Stolper-Schritte, das rechte Bein ist nicht schlimmer geworden, und das linke ist überhaupt nicht betroffen, ich habe diesen Schweinehund ALS beim Schlafittchen und werde ihn nicht wieder loslassen. Aber in Wirklichkeit gab es keine Veränderung in meinem Zustand. Diese Periode war lediglich ein Zwischenspiel, eine Phase der Ironie, in der ich mich der Illusion hingab, ich könnte die anrollende Flut aufhalten, indem ich ins Meer watete und das Wasser höflich bat, doch wegzubleiben.
    Mein rechtes Bein bestand nur noch aus losem Fleisch, das schlaff vom Knochen hing. Und darunter lagen Muskeln, die sich verzerrten, verzogen, gegeneinander kämpften, sich zu Knoten zusammenkrampften und wieder entspannten. Warum, fragte ich. Warum tun diese Muskeln, die sich noch immer regen und bewegen, die sich noch immer verkrampfen und entspannen, warum tun diese Muskeln nicht, was ich will, wenn ich es verlange? Das, sagte man mir, sei nun einmal die Natur der Krankheit. Es ist wie bei einer elektrischen Hochspannungsleitung, die bei einem Gewitter beschädigt worden ist. Strom fließt noch durch sie hindurch, Funken sprühen sporadisch, aber die erzeugte Energie ist nutzlos.
    Dann befiel die Krankheit mein linkes Bein. Von dem Moment des ersten Zitterns an dem Abend im italienischen Restaurant ließ der Verfall eigentlich keinen Augenblick mehr nach. Er ging langsam vor sich, gewiß; begann mit einer kleineren Schwäche, die sich im Lauf der Wochen immer nur ein wenig mehr ausprägte. Dennoch war nicht zu leugnen, daß die Krankheit fortschritt. Die Muskelzuckungen nahmen zu, schöpften Energie aus den Vibrationen und steigerten sich zu grauenvoll schmerzhaften Krämpfen. Wenn das geschah, kam körperliche Bewegung, gleich, welcher Art, nicht in Frage. Man konnte nicht laufen, Treppen steigen oder Gewichte heben, wenn man sich darauf konzentrierte, den Schmerz auszuhalten, ohne sich den Kopf an der nächsten Wand zu Brei zu schlagen.
    In dieser ganzen Zeit hüllte Chris sich in Schweigen. Damit will ich nicht sagen, daß er nicht mit mir redete. Er erzählte mir, wie die Überfalltruppe ohne mich zurechtkam; er berichtete von seinen Renovierungsaufträgen; er holte sich bei mir Rat, wie er sich in dieser oder jener heiklen Situation gegenüber der Leitung von ARM verhalten sollte; er erzählte von seinen Eltern und seinem Bruder und machte Pläne, sie mit mir zusammen bald einmal wieder in Leeds zu besuchen.
    Aber er brachte niemals die Krankheit zur Sprache. Die Entscheidung, einen Stock zu benutzen, fällte ich allein. Den Entschluß, einen zweiten Stock zu benutzen, traf wiederum ich allein. Mir war klar, daß als nächstes eine Gehhilfe notwendig werden würde, wenn ich in Zukunft aus eigener Kraft vom Schlafzimmer in die Toilette, von der Toilette in die Küche, von der Küche in den Arbeitsraum und wieder ins Schlafzimmer gelangen wollte. Eines Tages jedoch würde ich auch die Kraft und die Ausdauer für die Gehhilfe nicht mehr aufbringen können und würde mich in einen Rollstuhl setzen müssen. Vor dem Rollstuhl

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