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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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beteuerte: Ich schaff das schon. Wir schaffen das schon. Wir haben es bis jetzt auch geschafft. Und so wird es auch in Zukunft bleiben. Wir gehören zusammen, Livie, du und ich. Wir bleiben beieinander bis zum Ende.
    Denn das hatte er früher gesagt, in etwas anderen Worten, als es noch einfacher gewesen war, als die ALS sich noch nicht so rapide verschlimmert hatte wie jetzt. Damals hatten wir mutig darüber gesprochen, wie es werden würde, aber da war es ja auch noch nicht akut gewesen. Jetzt aber erwiderte er nichts. Er zog Toast zu sich heran und untersuchte eine rauhe Stelle zwischen den Augen des Hundes. Toast genoß die Aufmerksamkeit und wedelte freudig mit dem Schwanz.
    »Chris?« beharrte ich.
    »Du bist nicht mein Untergang«, erwiderte er. »Es ist hart, ja, aber das ist alles.«
    Max zog den Korken aus der Kognakflasche und füllte unsere Gläser auf, obwohl keiner von uns bis jetzt einen Tropfen angerührt hatte. Er legte seine große Hand einen Moment auf mein Knie und drückte. Der Druck besagte: Faß dir ein Herz, Mädchen, sprich weiter.
    »Meine Beine werden immer schwächer. Die Gehhilfe reicht bald nicht mehr aus.«
    »Du mußt dich erst an sie gewöhnen. Langsam deine Kräfte aufbauen.«
    »Meine Beine sind bald nur noch wie gekochte Spaghetti, Chris.«
    »Du übst nicht genug. Du benützt die Gehhilfen nicht so oft, wie du könntest.«
    »In zwei Monaten werde ich nicht mehr stehen können.«
    »Wenn deine Arme kräftig sind -«
    »Verdammt noch mal, hör mir zu! Ich brauche demnächst einen Rollstuhl.«
    Chris antwortete nicht. Max stand auf und lehnte sich an das Kajütendach. Er trank von seinem Kognak, stellte das Glas ab und kramte in seiner Tasche nach einem Zigarrenstummel. Er steckte ihn sich unangezündet zwischen die Lippen.
    »Gut, dann besorgen wir eben einen Rollstuhl«, sagte Chris.
    »Und weiter?« fragte ich.
    »Wie meinst du das?«
    »Wo soll ich wohnen?«
    »Hier natürlich. Wo sonst?«
    »Stell dich nicht dümmer, als du bist. Das kann ich doch nicht. Das weißt du genau. Du hast es doch gebaut, oder etwa nicht?«
    Chris starrte mich verständnislos an.
    »Ich kann hier nicht leben«, erklärte ich. »Ich könnte mich ja hier überhaupt nicht bewegen.«
    »Aber natürlich kannst du -«
    »Die Türen, Chris.«
    Ich hatte alles gesagt. Die Gehhilfe, der Rollstuhl. Mehr brauchte er nicht zu wissen. Ich konnte nicht über das Zittern in meinen Fingern sprechen. Ich konnte nicht erzählen, daß der Kugelschreiber in meiner Hand seit einiger Zeit so unkontrolliert über das Papier rutschte wie Ledersohlen über gewachstes Holz. Ich konnte nicht darüber sprechen, weil mir das klarmachte, daß mir selbst mit Hilfe des Rollstuhls, vor dem mir graute, nur wenige kostbare Monate gegönnt sein würden, ehe die ALS meine Arme so nutzlos machte, wie meine Beine es jetzt schon zu werden begannen.
    »Ich bin noch nicht krank genug für ein Pflegeheim«, sagte ich. »Aber ich werde sehr bald zu krank sein, um hierbleiben zu können.«
    Max warf seinen Zigarrenstummel - immer noch unangezündet - in die Tomatendose. Er ging um die Hunde herum, die sich zu beiden Seiten von Chris breitgemacht hatten, und trat hinter meinen Stuhl. Ich spürte seine Hände auf meinen Schultern. Wärme und ein leichter Druck, wie bei einer sanften Massage. Max sah mich als die Edle und Selbstlose, ein Vorbild englischer Weiblichkeit in ihrem besten Sinn, als die von Krankheit geplagte Dulderin, die den Geliebten in sein eigenes Leben entließ. So ein Quatsch. Ich schwankte auf einem Grat zwischen Leere und Nichts.
    »Dann ziehen wir eben um«, trotzte Chris. »Wir suchen uns eine Wohnung, wo du dich in deinem Rollstuhl frei bewegen kannst.«
    »Du ziehst nicht aus deinem Zuhause aus«, entgegnete ich.
    »Nein, das tun wir bestimmt nicht.«
    »Ich kann das Boot mit Leichtigkeit vermieten, Livie. Wahrscheinlich bekomme ich mehr dafür, als wir für eine Wohnung zahlen müssen. Ich möchte nicht, daß du -«
    »Ich habe sie schon angerufen«, sagte ich. »Sie weiß, daß ich sie sehen möchte. Sie weiß nur noch nicht, warum.«
    Chris hob den Kopf, um in mich hineinzublicken. Ich hielt mich ganz still. Ich beschwor Liv Whitelaw, die Gesetzlose, herauf, damit sie mir helfe, bei der Lüge zu bleiben, ohne daß meine Fassade Risse bekam.
    »Es ist erledigt«, sagte ich.
    »Wann willst du zu ihr?«
    »Wenn ich das Gefühl habe, daß es an der Zeit ist. Wir haben es offen gelassen.«
    »Und sie will dich wirklich

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