07 - Asche zu Asche
über alles nachzudenken, um wieder klarzusehen.«
»Ach ja. Glaubst du vielleicht, andere haben's leichter? Aber wir versuchen, nicht drüber nachzudenken, während wir mit irgendeiner Schlampe bumsen, oder?«
Sie war froh, daß es dunkel war. Die Dunkelheit schützte. Aber sie verbarg ihn auch. So, wie er nicht sehen konnte, daß seine Worte sie wie Schläge trafen, konnte auch sie ihn nicht sehen, jedenfalls nicht so klar und deutlich, wie eine Mutter ihren Sohn sehen will, wenn sie ihm eine Frage stellen muß, von deren Antwort fast alles abhängt, was ihrem Leben einen Sinn gibt.
Aber sie konnte die Frage nicht stellen, darum wählte sie eine andere: »Was willst du damit sagen?«
»Ich hab alles gewußt. Ich hab genau über Dad Bescheid gewußt. Und über die blöde Tussi mit ihren blondgefärbten Haaren. Und über diese tiefschürfenden Gedanken, die Dad sich angeblich über sich und die Welt gemacht hat, während er mit ihr im Bett lag. Selbstfindung. Haha! So ein Heuchler!«
»Was er mit -« Jean konnte den Namen nicht aussprechen. Es war zuviel verlangt. Sie versuchte, sich zu beruhigen, indem sie die Hände in die Taschen ihres Hausmantels schob. Rechts fand sie ein zusammengeknülltes Papiertaschentuch, links einen Kamm, dem mehrere Zinken fehlten. »Das hatte nichts mit dir zu tun, Jimmy. Das ging nur mich und Dad an. Dich hat er geliebt wie immer. Und Shar und Stan ebenfalls.«
»Klar, deshalb ist er ja auch mit uns segeln gegangen, wie er's versprochen hatte. Er hat das Boot gemietet, und dann sind wir die Themse raufgesegelt. Haben die Schleusen gesehen. Die Schwäne. Und in Hampton Court sind wir an Land gegangen und durch das Labyrinth gelaufen. Sogar der Queen haben wir zugewinkt. Die hat in Windsor auf der Brücke gestanden und nur darauf gewartet, daß wir vorbeikommen.«
»Er wollte die Fahrt mit euch machen. Du darfst nicht glauben, er hätte es vergessen.«
»Und die Regatta in Henley. Die haben wir uns auch angeschaut, stimmt's? Und haben extra unsere besten Sachen dafür angezogen. Und sogar einen Picknickkorb mitgenommen. Chips für Stan. Bonbons für Shar.
McDonald's für mich. Und danach haben wir dann die große Geburtstagsreise gemacht - zu den griechischen Inseln, Dad und ich ganz allein.«
»Jim, er mußte erst mit sich selbst ins reine kommen. Dein Vater und ich sind praktisch seit unserer Kindheit zusammen gewesen. Er brauchte Zeit, um sich darüber klarzuwerden, ob er bleiben wollte. Aber es ging dabei um mich, nicht um euch. An seiner Beziehung zu euch hatte sich nichts geändert.«
»Du hast ja so recht, Mam. Nichts hatte sich geändert. Das Weib hätt's bestimmt affengeil gefunden, wenn wir bei ihr eingefallen wären. Stan hätte sich in ihrem Gästezimmer einen runtergeholt, Shar hätte ihre Vogelbilder an die Tapeten geklebt, und ich hätte Motoröl auf ihre Teppiche getröpfelt. Die wär' ganz scharf darauf gewesen, uns als Stiefkinder zu kriegen.«
Er schleuderte seine »Doc Martens« von den Füßen. Sie schlugen krachend auf den Boden. Er schüttelte sein Kissen auf und lehnte sich zurück, so daß sein Gesicht in den tiefsten Schatten verschwand. »Der muß es jetzt ganz schön dreckig gehen, diesem Rauschgoldengel. Was meinst du, Mam? Dad ist hinüber, und das ist schon schlimm genug, weil sie's jetzt nicht mehr mit ihm treiben kann, wann sie will. Aber das schlimmste überhaupt ist, daß sie uns jetzt nicht als Stiefkinder kriegt, die Ärmste. Ich wette, die heult sich deswegen die Augen aus.« Er kicherte gedämpft.
Jean fröstelte bei dem Geräusch. »Jimmy«, sagte sie. »Ich muß dich etwas fragen.«
»Frag nur, Mam. Frag, was du willst.«
»Du hast gewußt, wer es ist.«
»Kann schon sein.«
Mit ihrer rechten Hand umfaßte sie das Papiertaschentuch und zerrieb es in ihrer Tasche zu kleinen Kügelchen. Sie wollte die Antwort nicht hören, weil sie sie schon kannte. Dennoch fragte sie: »Als er die Reise abgesagt hat, was hat er da zu dir gesagt? Jim! Erzähl es mir. Was hat er gesagt?«
Jimmys Hand glitt aus dem Schatten ins Dämmerlicht, um nach irgend etwas zu greifen. Jean hörte, wie er ein Streichholz anriß. Gleich darauf hielt er die Flamme vor sein weißes Gesicht. Er ließ Jean keine Sekunde aus den Augen, während das Streichholz herunterbrannte. Als die Flamme seine Finger berührte, zuckte er nicht einmal zusammen. Aber er gab auch keine Antwort.
Lynley hatte endlich mit viel Glück in Sumner Place einen Parkplatz gefunden. Karma,
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