Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
würdest es zu nichts bringen, wenn ich zulasse, daß du die Schule schmeißt.«
    »Sie ist unsere Freundin. Sie hat sich nur um uns gesorgt.«
    »Unsere Freundin? Sie wollte, daß ich mein Kind weggebe! Daß ich es umbringe! Ihr wär's am liebsten gewesen, ich wäre gestorben. Sie hat mich immer schon gehaßt, Kenny. Sie hat immer schon -«
    »Hör endlich auf!« Er schlug krachend auf den Tisch. Der Salzstreuer aus Keramik - in Form eines Eisbären, der zum Pfefferstreuer in Form eines Panthers paßte - fiel vom Tisch und prallte gegen ein Tischbein. Salz rieselte lautlos auf das alte grüne Linoleum. Ken hob ihn auf, und er zerbrach in seiner Hand in zwei Teile. Salz rann wie gebleichter Sand zwischen Kens Fingern hindurch.
    Er sagte, ohne sie anzusehen, den Blick auf den Salzstreuer gerichtet: »Du tust Miriam unrecht. Sie war immer gut zu mir. Sie hat es gut mit uns gemeint. Auch mit dir. Und den Kindern.«
    »Dann sag mir doch, wer jetzt für dich besser ist.«
    Er zeichnete ein Muster in das Salz auf dem Tisch, fuhr dann mit der Hand darüber und löschte es, begann von neuem zu zeichnen. »Glaub's mir endlich«, sagte er. »Es geht nicht ums Bett.« Aber er sprach zu dem Salz und nicht zu ihr. Am Ton seiner Stimme hörte sie, daß er sich entschlossen hatte, die Wahrheit zu sagen. An der Haltung seines Kopfes und seiner Schultern erkannte sie, daß die Wahrheit schlimmer sein würde als ihre schlimmsten Träume. »Es geht überhaupt nicht um Sex«, wiederholte er. »Hast du das verstanden?«
    »Ach so«, sagte sie mit gespielter Leichtigkeit. »Es geht gar nicht um Sex. Bist du jetzt unter die Priester gegangen, Kenny?«
    »Na gut. Ich hab mit ihr geschlafen. Ja. Wir haben miteinander geschlafen. Aber es geht nicht um den Sex. Es ist mehr. Es geht um ...« Er drückte seinen Handballen in das Salz und schob ihn darin hin und her. »Es ist nicht Sex«, sagte er wieder.
    »Es ist Begehren.«
    »Ach, und das hat mit Sex nichts zu tun? Also wirklich, Kenny.«
    Er sah sie an, und sie spürte förmlich, wie ihre Finger eiskalt wurden. Nie hatte sie ihn so zerrissen erlebt.
    »Ich habe noch nie so etwas empfunden«, sagte er. »Ich möchte sie in- und auswendig kennen. Ich möchte sie besitzen. Ich möchte sie sein. So ein Gefühl ist das.«
    »Das ist ja lächerlich.« Jeannie wollte verächtlich wirken, aber ihre Stimme klang nur ängstlich.
    »Ich fühle mich wie auf einen Punkt reduziert, Jean. Wie auf einen Kern zusammengeschmolzen. Und der Kern ist Begehren. Sie. Sie begehren. Ich kann nicht einmal mehr an etwas anderes denken.«
    »Du redest Blödsinn, Kenny.«
    Er wandte sich ab. »Ich dachte mir, daß du es nicht verstehen würdest.«
    »Aber sie versteht es wohl, deine begehrenswerte Freundin.«
    »Ja. Sie versteht es.«
    »Und wer ist sie? Wer ist diese verständnisvolle Frau, die du so sehr begehrst?«
    »Was spielt das für eine Rolle?«
    »Für mich spielt es eine Rolle. Und du schuldest mir den Namen. Wenn es zwischen uns vorbei sein soll, wie du das möchtest.«
    Da hatte er es ihr gesagt. Mit leiser Stimme hatte er »Gabriella« gesagt und den Namen im selben Atemzug noch einmal wiederholt. Den Kopf hielt er dabei auf seine Fäuste gestützt. Salzkörnchen sprenkelten seine Handgelenke wie weiße Sommersprossen.
    Das genügte Jean. Ein Nachname war unnötig. Ihr war, als hätte er ihr ein Messer ins Herz gestoßen. Wie betäubt ging sie zum Tisch.
    »Gabriella Patten ist die Frau, die du in- und auswendig kennen möchtest?« sagte sie. »Die du besitzen möchtest? Die du sein möchtest?« Sie sank auf einen Stuhl. »Das laß ich niemals zu.«
    »Du verstehst ja überhaupt nicht ... du weißt nicht ... Ich kann nicht erklären, wie es ist.«
    »Oh, ich weiß, wie es ist. Aber mit der kommst du nur über meine Leiche zusammen, Ken. Nur über meine Leiche.«
    Doch es war anders gekommen. Eine Leiche gab es. Aber es war die falsche. Jean drückte ihre Augen zu, bis sie unter ihren Lidern Lichter sprühen sah. Als sie das Gefühl hatte, wieder in normalem Ton sprechen zu können, ging sie aus dem Badezimmer hinaus.
    Sharon schlief noch nicht. Jeannie zog die Tür zu ihrem Zimmer einen Spalt auf und sah, daß sie in ihrem Bett neben dem Fenster saß. Sie strickte. Sie hatte kein Licht gemacht. Sie saß mit gekrümmtem Rücken wie eine kleine Bucklige, und im Takt mit dem Klappern der Stricknadeln flüsterte sie: »Eins links, eins rechts, eins links, eins rechts ...« Auf der Bettdecke schlängelte sich

Weitere Kostenlose Bücher