07 - Old Surehand I
wäre freilich ein mehr als kühnes, es wäre ein lächerliches, ein höchst leichtsinniges Unternehmen. Ich werde viel, viel mehr Leute bei mir haben.“
„Woher sollen die kommen?“
„Aber Fox, Fox! Ist das so schwer zu begreifen?“
„Hm! Helft mir auf die Sprünge, Sir. Ich weiß wirklich nicht, woher Euch weitere Kräfte kommen sollen!“
„Und die Kavallerie?“
Er sah mir überrascht in das Gesicht, schlug sich mit der Hand an die Stirn und rief:
„So ein Esel! Das ist ja die reine Blindheit, mit der ich geschlagen war! Natürlich werden die weißen Reiter Euch beistehen, ganz natürlich! So dumm, wie in diesem Augenblick, bin ich noch nie gewesen!“
„Ihr habt dabei den Trost, daß auch ich erst vor einigen Minuten auf diesen Gedanken gekommen bin. Und er lag doch so nah, daß jedes Kind ihn fassen konnte. Ich werde Entschar-Ko sagen, daß – – – ah, da kommt er ja!“
Der Unteranführer der Apachen kam mit Old Wabble zurück; ich schickte ihn wieder hinaus, diejenigen Krieger auszuwählen, welche uns begleiten sollten. Der alte ‚König der Cowboys‘ stand in einer so eigentümlichen Haltung vor uns, daß ich ihn unwillkürlich fragte:
„Was habt Ihr, Sir? Seid Ihr unwohl?“
„Yes, sehr, außerordentlich unwohl!“ nickte er.
„Wo liegt das Leiden?“
„Tief, sehr tief!“
Er zeigte mit dem Finger nach unten.
„Ach! In den Füßen wohl?“
„Yes!“
„Die Mokassins – – –?“
„Mag der Teufel holen!“ platzte er zornig heraus.
„Habt Ihr welche gefunden?“
„Und was für welche!“
„Groß genug?“
„Und wie groß! So groß, daß man sich ordentlich schämen muß, sie anzuziehen! Dieser Rote, dem wir sie abgenommen hatten, besitzt keine menschlichen Füße, sondern wahre Bärentatzen!“
„Nun, was weiter?“
„Was weiter? Das fragt Ihr noch?“
„Natürlich!“
„Da ist gar nichts Natürliches dabei! Es ist ganz selbstverständlich, daß ich wütend sein muß!“
„Aber warum wütend?“
„Thunder-storm, seht Ihr das wirklich noch nicht ein? Ich bin wütend und ganz außer mir, weil diese kolossalen Schuhe mir noch immer nicht passen. Sie sind noch zu klein!“
„Das ist freilich sehr bedauerlich!“
„Aber nicht für Euch, sondern für mich, Sir!“ fuhr er mich zornig an.
„Das bezweifle ich gar nicht, Mr. Cutter“, lachte ich.
„Ja, lacht nur zu! Ihr würdet aber nicht lachen, wenn Ihr das niederträchtige Gefühl hättet, welches ich empfinde!“
„Wirklich? Seid Ihr auch einmal gefühlvoll?“
„Und wie! Seht Ihr denn nicht, wie krumm und trostlos ich dastehe? Meine Zehen sind so rund gebogen, daß man sie für Nullen halten könnte.“
„So macht sie gerade!“
„Geht nicht! Die Mokassins sind zu kurz. Wißt Ihr vielleicht ein Mittel gegen meine Qualen?“
„Ja.“
„Welches? Ich kann doch die Schuhe nicht länger machen!“
„Nein; aber Löcher könnt Ihr hineinschneiden.“
„Ah – – – Löcher – – –?“
„Ja.“
„Vortrefflicher Gedanke, ganz vortrefflicher! Old Shatterhand ist doch der pfiffigste Kopf, der jemals zwischen zwei Schultern gesessen hat! Löcher hineinschneiden! Das werde ich gleich tun, sofort. Die Zehen werden zwar ein wenig herausgucken, aber das schadet nichts; ich gönne ihnen die Freude, auch einmal das liebe Tageslicht zu sehen.“
Er zog das Messer und setzte sich nieder, um die vorgeschlagene Operation augenblicklich auszuführen.
Als wir uns dann von Fox, Parker und Hawley verabschiedet hatten und mit unsern Pferden hinaus zu den Apachen kamen, standen sechzig von ihnen bereit, uns zu begleiten.
„Hat mein weißer Bruder mir noch einen Befehl zu erteilen?“ fragte mich Entschar-Ko.
„Du wirst dafür sorgen, daß an dem Weg, der nach der Oase führt, sich stets einige Wachen befinden. Ich habe Schiba-bigk dem Neger Bob übergeben, der ihn nicht aus dem Haus lassen soll. Er sinnt auf Flucht. Der Schwarze wird ihn nicht aus den Augen lassen. Auf keinen Fall kann der junge Häuptling durch den dichten Kaktus entkommen; er muß den einzigen Weg wählen, der hindurchführt, und dabei auf diese Wächter treffen.“
„Was sollen wir tun, wenn er kommt?“
„Ihn festhalten.“
„Ich meine, wenn er sich wehrt?“
„Da muß natürlich Gewalt angewendet werden. Ich will ihn so viel wie möglich schonen, aber entkommen darf er auf keinen Fall. Wenn es nicht anders geht, muß er das Leben lassen. Ebenso streng hast du darauf zu sehen, daß keiner von
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