07 - Old Surehand I
Kerls, so wäre es gar kein so großes Wagnis; man muß sich nur auf die Leute fest verlassen können. Denkt nur, wie oft Old Shatterhand und Winnetou ganz ohne alle andre Hilfe noch viel, viel schwerere und gefährlichere Dinge ausgeführt haben! Ich hatte erst den Gedanken, Winnetou aufzusuchen; aber ich weiß nicht, an welcher Stelle des Rio Pecos sein Mescalerostamm zu finden ist und – – –“
Er hielt inne. Mein Hengst pflegte sich gern allein zu halten und kein fremdes, ihm unbekanntes Pferd in seiner unmittelbaren Nähe zu dulden; jetzt war ihm das Pferd Old Wabbles zu nahe gekommen; er biß nach ihm, es biß wieder, und sie gerieten zusammen.
„Was ist denn das für ein impertinenter Gaul, der da mein Pferd malträtiert“, rief der Alte, indem er aufsprang.
Er eilte herbei und ergriff den Rappen beim Zügel, um ihn von seinem Klepper wegzureißen; der Hengst aber stieg vorn kerzengerade empor, riß ihn mit in die Höhe und schleuderte ihn zur Seite, daß er neben mir niederflog. Er sprang schnell mit einem Fluch auf und wollte wieder zugreifen; da warnte ich ihn:
„Faßt Euer Pferd, aber ja nicht das meinige; es gehorcht nur mir und würde Euch mit den Hufen zerschmettern!“
Der Hengst hatte sich wirklich schon in Positur gesetzt und stand bereit, ihm im Fall eines zweiten Angriffs die Hinterhufe an den Kopf oder die Brust zu geben; er wendete dabei den ausgezeichnet schönen Kopf zurück nach ihm und bildete so, vom Feuer beleuchtet, einen Anblick, der jeden wirklichen Pferdekenner in Entzücken versetzen mußte. Old Wabble hatte vorhin das prächtige Geschöpf gar nicht betrachtet; jetzt fuhr er einige Schritte zurück und rief erstaunt:
„Thunder-storm, was für ein Tier ist das! Das muß man genauer betrachten!“
Er ging, sich respektvoll fern haltend, um den Hengst herum. Als einstiger ‚König der Cowboys‘ war er gewiß ein guter Pferdekenner. Sein altes Gesicht nahm mehr und mehr den Ausdruck des Entzückens an.
„So ein Pferd sah ich noch nie!“ gestand er ein. „Es gibt nur einen solchen Stamm, und der wird bei den Mescaleros gezüchtet. Von ihm stammen zwei Rapphengste wie dieser hier, deren Herren – – –“
Er unterbrach sich, trat zu mir, der ich noch immer im Gras lag, betrachtete mich genau, bückte sich, nahm meinen Bärentöter und den Henrystutzen, der noch in dem Futteral steckte, in die Hand, besah sich diese Gewehre, legte sie wieder hin und fragte mich:
„Dieser Hengst ist Euer, Sir?“
„Ja“, nickte ich.
„Ihr habt ihn gekauft?“
„Nein.“
„Geschenkt erhalten?“
„Ja.“
Da ging ein unaussprechlich pfiffiges Lächeln über die Falten des alten Gesichts; er nickte mit dem Kopf, indem seine Augen froh zu leuchten begannen, und fragte weiter:
„Habt Ihr den Jagdrock auch geschenkt bekommen und die Leggins, die Ihr tragt, Sir?“
„Ja.“
„Und Ihr forscht wirklich nach alten Gräbern?“
„Zuweilen, ja.“
„Und heißet Charley?“
„Gewiß.“
„Well! Ich kenne einen Weißen, oder vielmehr ich habe von ihm gehört, den sein Blutsbruder Charley nennt, und ich wünsche Euch, in Euern Altertumsforschungen recht glücklich zu sein. Verzeiht, daß ich Euer Pferd beinahe malträtiert hätte; ich werde es nicht wieder tun; th'is clear!“
Er kehrte zum Feuer zurück und setzte sich dort nieder; er hatte mich durchschaut und wollte mein Inkognito nicht verraten. Die andern begriffen sein Verhalten und seine Worte nicht und sahen ihn verwundert und fragend an. Als er ihnen aber ein gleichgültiges Gesicht zeigte und keine Antwort gab, nahmen sie, ohne sich über mich irgendwelche Gedanken zu machen, das unterbrochene Gespräch wieder auf. Ich aber erhob mich aus dem Gras und ging an ihnen vorüber, um den Lagerplatz zu verlassen, und zwar mit einer Miene, als ob ich gar keinen besondern Grund dazu hätte. Ich wollte ihre Aufmerksamkeit nicht erregen.
Es gab gar wohl einen Grund, einen sehr triftigen, für mich, einmal fortzugehen. Old Surehand und Old Wabble waren überfallen worden; der letztere hatte die Flucht ergriffen, und sie war ihm geglückt. Er war einer der tüchtigsten, der erfahrensten und der schlauesten Westmänner; darum wunderte ich mich darüber, daß er sich so sicher fühlte. Es stand bei mir fest, daß er von den Comanchen verfolgt worden war. Sie mußten sich doch sagen, daß er Hilfe für Old Surehand holen werde, und mußten ihn einholen, um ihn unschädlich zu machen. Er war zwar sehr schnell geritten,
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