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Licht. So hatte ich, warum auch 96
immer, weniger Angst. Natürlich war mir klar, dass Böses auch bei Licht passiert.
Die dicken Teppiche dämpften meine Schritte. Was nicht nötig gewesen wäre, da es mir egal war, ob man meine Anwesenheit bemerkte oder nicht. Ich marschierte geradewegs ein Stockwerk höher und betrat ein Wohnzimmer, wo ich mit „Wer zur Hölle hat dich denn eingeladen, Blondie?" begrüßt wurde.
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Ich blinzelte, mehr als nur leicht überrascht. Vor allem, weil das Haus ein Wohnzimmer im zweiten Stock hatte. Das hatte ich noch nie gesehen. Wieder ein Beweis dafür, dass Nostro völlig durchgeknallt gewesen war. Und ich war auch schon netter begrüßt worden. Selbst ein Finanzbeamter war charmanter.
Betsy, schweif nicht ab!
Ein blutender und arg mitgenommener Nick saß zusammengesackt auf einem Stuhl. Hinter ihm erstreckte sich eine Reihe raumhoher Fenster, von denen seltsamerweise drei offen standen. Ein heftiger Luftzug fegte durch den Raum. Wahrscheinlich waren die Biester, die daran gewöhnt waren, draußen zu leben, unempfindlich gegen die Kälte.
Dann erinnerte ich mich daran, dass sie Sommer wie Winter im Freien gehalten worden waren, wie Hunde, gegen deren Anwesenheit man nicht wirklich etwas hatte, die man aber dennoch lieber auf Abstand hielt.
Sie haben al es zerfleischt, was ihnen zu nahe kam. Sie waren nicht in der Lage, auf einem Teppich, geschweige denn in einem Bett zu schlafen. Du tust ja geradezu so, als seien sie Kriegsgefangene gewesen und wir die Besatzungsmacht!
Nick war nicht gefesselt, das war auch nicht nötig. Aber er war wütend.
„Sie haben mich eingeladen", antwortete ich und zeigte auf die Biester. „Wenn man so will."
„Und da konntest du natürlich nicht Nein sagen. Du hast uns hier gerade noch gefehlt."
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„Allein", sagte eines der Biester - es war Stephanie und sie machte sich nicht die Mühe, ihre Überraschung zu verbergen. „Sie ist allein gekommen."
„Selbstverständlich bin ich gekommen! Was habt ihr denn gedacht? Dass ich erst noch einen Cocktail schlürfe?" Die Biester starrten mich an, ungerührt, während ich weitertönte: „Ihr habt keine Ahnung, mit wem ihr es zu tun habt." Okay, um ehrlich zu sein, ich selbst hatte auch keinen blassen Schimmer, mit wem sie es zu tun hatten. „Ihr glaubt, ihr bekommt, was ihr wollt, wenn ihr euch meinen Freund greift .. "
„Ich bin nicht dein Freund", quengelte Nick.
„Na gut, dann eben den Freund meiner besten Freundin. Und jetzt glaubt ihr, ich gebe so einfach nach. Dabei wisst ihr doch selbst gar nicht, was ihr wirklich wollt, oder?"
Die Biester sahen sich gegenseitig an, während Nick, dem deutlich anzusehen war, wie weit er sich fortwünschte, mit den Augen rollte.
Ich besah sie genauer, ohne es sie merken zu lassen. Happy, Jane und Clara sahen besser aus - irgendetwas in ihrem Blick hatte sich verändert, so schien es mir. Sie sahen nicht mehr so grausam und verwirrt aus wie noch vor Kurzem.
Und sie trugen, oh Wunder, saubere Kleidung, obwohl sie nicht geduscht zu haben schienen. Ich dachte daran, dass die Schränke in der McVilla bestimmt noch voller Kleider hingen. Und sie hatten sich schließlich an genug erinnert, um das herauszufinden.
Janes langes Haar war schmutzig und hing ihr in fettigen Strähnen den Rücken hinunter. Ihre Lippen waren schmal und ihre Fingernägel dreckig, aber sie hatte strahlend blaue Augen, die nicht recht zum Rest ihrer Erscheinung passen wollten. Auch Clara und Happy hatten langes Haar.
Happy, der Mann, überragte beide Frauen. Er war einer von den groß gewachsenen Typen,
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die ihre Schultern hängen ließen, um kleiner zu wirken, was aber erst recht die Aufmerksamkeit auf seine massige Gestalt zog.
Happy hatte die Mandelaugen eines asiatisch stämmigen Amerikaners und wäre attraktiv gewesen, wäre da nicht der hasserfüllte Ausdruck auf seinem Gesicht gewesen. Seine Jeans und sein Hemd waren sauber, aber an seinem Kinn klebte getrocknetes Blut.
Ich fragte mich, ob die Biester noch von etwas anderem als dem Hass auf mich angetrieben wurden.
„Hört mal, Leute. Man kann doch über alles reden. Ich denke, es ist genug getötet worden, ihr nicht?"
„Nein", sagte Happy.
„Alles kann noch schlimmer werden, wisst ihr. Bevor es besser wird."
„Nichts wird je besser", sagte Clara traurig - die eigentlich Stephanie hieß, aber ich würde mir nicht anmerken lassen, dass ich das wusste. „Ich dachte, vielleicht . ." Sie brach ab und ich wusste,
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