070 - Der Galgenbaum im Jenseits
Manche ragten bis ins Wasser hinein.
»Hier wird Roxane sterben«, sagte Mago. »Und den Fluten wird Arma entsteigen. Arma, deine Geliebte.«
»Die auf Atax' Seite steht«, sagte Metal.
»Es wird deine Aufgabe sein, sie auf unsere Seite zu holen.«
»Atax wird dasselbe von ihr verlangen.«
»Wer ist stärker? Arma oder du?«
»Im Moment ist sie es noch«, sagte Metal.
»Du wirst über deine dämonischen Kräfte wieder verfügen, sobald du sie brauchst«, versicherte Mago seinem Verbündeten. »Ein winziger Schritt trennt dich nur noch von diesem Ereignis.«
Sie führten ihre Pferde zu einem Felsenversteck und banden sie fest.
Mago hatte sich entschlossen abzuwarten. Vielleicht war es nicht nötig, in das Geschehen einzugreifen. Tony Ballard und seine Freunde würden Atax angreifen, und erst wenn das nicht jenen Erfolg brachte, den der Schwarzmagier sich vorstellte, würde er sich mit Metal in das Geschehen einschalten.
Wenn sein Plan aufging, würde es zwei Verlierer geben: Tony Ballard und Atax. Atax sollte Arma nicht als Verbündete behalten, und Tony Ballards Freund Mr. Silver sollte Roxane nicht zurückbekommen.
Der lachende Dritte sollte Mago heißen.
Das war der Plan.
Während sich Metal an einen Felsen lehnte, schob sich etwas aus dem dunklen Wasser des Todessees.
Bei flüchtigem Hinsehen hätte man es für eine Schlange halten können, doch beim zweiten Blick entpuppte sich diese Schlange als schwarzer Tentakel…
***
Wir erreichten das Festland und kehrten zu unseren Reittieren zurück. Kein Pferd fehlte, und der Shanggin war auch noch da. Er erhob sich, stampfte auf den Prä-Welt-Ritter zu und ließ seine Zunge durch dessen offenes Visier schnellen.
Mich wollte er ähnlich begrüßen, aber als ich ihm die Hand entgegenstreckte, begnügte er sich damit. Rauh wie Sandpapier war seine Zunge.
Ich tätschelte den Hals des Dickhäuters und kraulte ihn hinter dem merkwürdig aussehenden Ohr, was er mit einem dumpfen Knurren guthieß.
Ich hoffte für die beiden Männer, die auf der Toteninsel gewesen waren, daß sie nicht den Engawas in die Hände gefallen waren. Vielleicht waren sie ohne ihr Zutun auf diese Welt geraten, irrten hier umher und fanden nicht mehr auf die Erde zurück.
Es gibt Jenseitsfallen. Manche behaupten, das Bermuda-Dreieck wäre eine.
»Tony!« Mr. Silver zischte es nur, doch ich war sofort gewarnt. Der Ex-Dämon hatte etwas wahrgenommen.
Engawas vielleicht?
Ich brauchte nur seinem Blick zu folgen, um zusammenschnellende Zweige zu sehen. Wir verständigten uns mit Handzeichen. Das ging ganz rasch, und jeder wußte, was er tun mußte.
Während Cinto und Parthos bei den Reittieren blieben, starteten Mr. Silver und ich. Ich warf mich vehement in die Büsche, rammte sie mit meinem Körper auseinander, prallte gegen einen Baumstamm, und ein glühender Schmerz durchzuckte meine Schulter.
Ich biß die Zähne zusammen und rannte weiter.
Etwas oder jemand flitzte davon. Wir waren beobachtet worden, und ich wollte wissen von wem.
Ich forcierte das Tempo, obwohl das nicht ungefährlich war. Schließlich konnte das ein Trick der Kopfjäger sein. Beinahe wäre ich über einen morschen Baumstamm gestürzt, der hinter großen Blättern versteckt lag.
Im letzten Moment sah ich ihn und federte drüber. Der Sprung brachte mir eineinhalb Meter. Ich war nun knapp hinter dem Fliehenden.
Er schlug auf einmal Haken wie eine Hase. Ich hörte ihn keuchen, vernahm seine schnellen Schritte. Er konnte nicht sehr groß sein, denn wenn ich einen Schritt machte, machte er mindestens zwei. Dadurch wurde er auch schneller müde.
Kurze Beine… ein Gnom vielleicht?
Ich wuchtete mich vorwärts, warf mich mitten hinein in das üppige Grün und berührte eine nackte Schulter, um die sich meine Finger sofort schlossen.
Der Kleine quietschte. Es war tatsächlich ein Gnom. Er stürzte mit mir, rollte keuchend und schluchzend herum, sprang auf und wollte die Flucht fortsetzen.
Ich griff nach seinem Bein und hielt es fest. Damit brachte ich ihn erneut zu Fall, und dann zog ich den strampelnden, wie von Sinnen um sich schlagenden Kleinen über den Boden an mich heran.
Es machte keine große Mühe ihn zu überwältigen. Ich hielt ihn mit beiden Händen fest und sagte ihm, er hätte von mir nichts zu befürchten.
Er glaubte mir nicht. Kein Wunder. Von Cruv wußte ich, wie schlecht ein Gnom auf Coor dran war. Diese kleinen Wesen waren Freiwild für alle. Futter für Tiere und Pflanzen. Opfer für jeden,
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