070 - Komplott der toten Moerder
mir, Mohammed, ich konnte keinen Finger bewegen. Ich mußte dabei sein und zusehen, wie er die Menschen abschlachtet.“
Das fremde Gesicht verzog sich zu einem höhnischen Lächeln. „Natürlich wird ihm das niemand abnehmen. Für alle ist der Mörder Hassan Marfadra, wenn sie uns fassen.“
„Er hält mich in meinem eigenen Körper gefangen! Es hat mich so aufgeregt, dich zu sehen, daß ich ihn überrumpeln konnte – aber sonst kann ich ohne sein Einverständnis kein einziges Wort sagen.“
Das Phantom grinste.
„Sie wollen, daß ich Ihnen helfe? Gegen die Polizei?“ Mohammed Marfadra begann mit unbewegtem Gesicht im Zimmer umherzuwandern. Er streichelte in Gedanken versunken eine Wasserpfeife. Nach einigen Schritten hielt er vor einem Lackkästchen an, um daran herum zu spielen. Er war ein Mann der Tat. Das Vertrauen seines jüngeren Bruders kam nicht von ungefähr. Endlich sagte er: „Einem Feind meines Bruders helfen? Glauben Sie im Ernst, daß ich das tun werde?“
„Aber wenn du ihm nicht hilfst, läßt du mich im Stich!“ rief Raoul Marfadra. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie grauenvoll jeder wache Moment für mich geworden ist. Keine eigene Bewegung mehr machen können. Nicht bestimmen können, wann ich schlafe, wann ich mich hinsetze oder aufstehe! Mohammed – hilf mir doch.“
Mohammed Marfadra war dicht vor dem Mann stehengeblieben, in dem er immer mehr seinen Bruder erkannte – seinen Bruder, der ihn aus unbeschreiblicher Qual um Beistand anflehte. Und dazu sah er das siegessichere Lächeln des anderen.
In Mohammeds Hand blitzte das Messer, das er bei seiner Wanderung durch das Zimmer heimlich an sich genommen hatte. Er wollte zustoßen, mitten ins Herz. Aber der tote Mörder war schneller. Er griff zu und entwand ihm die Waffe.
Schweigend ging er fort.
Im getäfelten Scotland-Yard-Zimmer herrschte grünes Dämmerlicht. Das Telefon auf dem Schreibtisch von Detektiv-Superintendent Albert Thomas schnarrte. Er nahm den Hörer auf. „Ja?“
„Detektiv-Inspektor Corson, Einsatzleitung dritter Abschnitt. Wir wollten einen Verdächtigen anhalten, Sir. Der Mann ergriff sofort die Flucht, als er unsere uniformierten Beamten sah. Wir haben den Whitechapel-Block, in dem er verschwunden ist, abgeriegelt.“
„Gut. Sah der Mann wie ein Nordafrikaner aus?“
„Einen Augenblick, Sir. – Sir? Die Constabler sagen, er könnte ein Farbiger gewesen sein.“
„Halten Sie mich auf dem laufenden. Ich möchte sofort verständigt werden, wenn dieser Mann wieder auftaucht. Fordern Sie von Burks und Reynolds Verstärkung zum Durchkämmen dieses Blocks an. Ich will, daß jede Wohnung, jeder Lagerschuppen, jeder Dachboden, jeder Keller durchsucht wird. Ich sorge für den richterlichen Durchsuchungsbefehl. Und, Corson – nicht wieder so maulfaul sein wie neulich bei der Razzia in Soho, hören Sie? Ich will laufend Berichte hören, was vorgeht.“
Superintendent Thomas legte den Hörer auf. Seine ständige Müdigkeit, die ihn neuerdings tagsüber quälte, wich und machte dem Jagdfieber Platz, das ihn all die Jahre hindurch angetrieben und schließlich auf diesen Chefstuhl gebracht hatte.
Für seltsame Fälle hatte er ein besonderes Gespür.
Er dachte an den sturmgepeitschten Abend in dem alten schottischen Pfarrhaus. Skeptisch und mit einer gewissen Abneigung hatte er neben fünf anderen um einen runden Tisch gesessen, um den Poltergeist des Hauses zu rufen.
Im ganzen Haus war das Licht ausgeschaltet gewesen. Nur das Kaminfeuer hatte mit seinem Flackern die Schatten tanzen lassen. Durch die geschlossenen Vorhänge drang ab und zu der grelle Schein eines Blitzstrahls. Dann hatte der Tisch sich plötzlich unter seinen eigenen Händen in die Höhe gehoben. Und hinter dem Medium, einer derben alten Frau mit dem Gesicht eines verärgerten Papageis, war plötzlich eine schwach leuchtende, schwebende Gestalt sichtbar geworden. Eine hohe Stimme hatte den Namen des Mörders genannt, auf den Thomas zu dieser Zeit gerade Jagd machte.
Der Träger dieses Namens konnte tatsächlich als Mörder überführt werden.
Damals hatten seine jahrelangen Nachforschungen über Echtheit und Schwindel von Geisterbeschwörungen begonnen …
Das Telefon schnarrte. Er nahm den Hörer ab.
Es knackte und prasselte im Apparat. Die Stimme klang sehr fern.
„Hören Sie bitte? Hallo, London?“
„Ja, London. Hier ist Scotland Yard, Detektiv-Superintendent
Thomas.“
„Ich rufe Sie aus Düsseldorf an. Mein Name
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