0705 - Das schwarze Nichts
Ziehbrunnens, die Fahrzeugtüren schepperten. Dann kurbelte Hawk am Lenkrad und gab Gas.
Der Transporter schleuderte über das Pflaster, brach mit dem Heck aus. Hawk lenkte ihn auf das Tor zu.
Hinter ihnen holte die unheimliche Schwärze rasend schnell auf, als wolle sie die beiden Flüchtenden keinesfalls entkommen lassen…!
***
Der Drache wirkte verwirrt.
Nicole eilte die Treppe hinunter. Fooly starrte auf das zerbrochene Schwert in seinen Händen.
»Ich war's nicht«, sagte er kläglich. »Ganz bestimmt, Mademoiselle Nicole! Ich war’s wirklich nicht! Ich weiß nicht mal, wie das passiert ist. Ich habe es gefunden, es lag noch irgendwo herum, wollte es zu einer Rüstung bringen, und dann war alles schwarz. Und jetzt…«
»Schon gut, Kleiner«, sagte Nicole beruhigend. Sie wollte Fooly die beiden Teile aus den Händen nehmen, aber sie zerbröckelten zwischen ihren Fingern. Erschrocken tappte der Jungdrache ein paar Schritte zurück und wäre beinahe über seinen eigenen Schwanz gestolpert.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Nicole.
»Nicht gut«, gestand Fooly.
»Kannst du deine Drachenmagie noch benutzen?«
»Ich - ich weiß es nicht«, stammelte er. »Was ist das, dieses Schwarze? So etwas habe ich noch nie gesehen. Es ist…«
»Böse«, sagte Nicole.
»Nein, nicht einmal. Es kann gar nicht böse sein, weil es Nichts ist. Es ist so… so fremd… so unbegreiflich…«
»Geh«, bat Nicole. »Bevor es zurückkommt. Geh hinaus, lauf, so weit du kannst. Weißt du, wo Rhett und seine Mutter sind?«
Fooly schüttelte den Kopf.
»Ich weiß es nicht. Und ich kann doch nicht einfach weglaufen. Ich muss etwas tun, muss hiergegen ankämpfen. Ich kann euch alle nicht im Stich lassen.«
»Wir gehen alle«, sagte Nicole. »So schnell wie möglich. Ich muss Patricia und Rhett nur noch finden. Ich…«
In diesem Moment tauchte zwischen ihnen eine kleine schwarze Kugel auf. Sie dehnte sich blitzartig aus. So schnell konnte keiner von ihnen ausweichen und davonlaufen, und diesmal war das Nichts noch größer als je zuvor…
***
Carlotta war sauer.
»Könnt ihr alle nicht zwischendurch mal leben wie ganz normale Menschen?«, maulte sie. »Immer wieder stürzt ihr euch in Gefahren, in denen ihr umkommen könnt. Und wofür?«
»Um zu verhindern, dass viele andere umkommen«, sagte Zamorra leise.
»Aber warum muss Ted immer wieder mit dabei sein? Ich will ihn nicht verlieren. Ich liebe ihn, und ich möchte mit ihm zusammen sein, so lange es eben geht. Das Leben eines Menschen ist so verdammt kurz… könnt ihr Unsterblichen das nicht verstehen? Habt ihr längst den Boden unter den Füßen verloren? Quelle des Lebens… oh, wie ich Nicole und dich darum beneide!«
Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich ab und verließ das Arsenal.
Butler William gab sich unbeteiligt.
»Irgendwie hat sie ja sogar recht«, sagte Zamorra leise. »Wir können, wenn wir uns nicht vorher umbringen lassen, praktisch bis ans Ende des Universums leben… aber ich beneide umgekehrt manchmal die ganz normalen Menschen, die nicht einmal ahnen, womit wir es ständig zu tun bekommen, die einfach ihr Leben genießen… sie haben vielleicht von den siebzig oder achtzig Jahren mehr, als Menschen wie Robert Tendyke oder irgendwann auch Nicole und ich von unseren vielleicht sieben- oder achthundert - falls wir sie denn erreichen…«
Sie konnten praktisch immer nur von einem Tag zum nächsten leben und planen. Es gab manchmal Phasen der Ruhe, die Wochen oder auch ein oder zwei Monate dauerten. Aber dann bekamen sie es wieder mit dämonischen Gegnern zu tun; die Mächte des Bösen brüteten ständig neue Teufeleien aus. Und jede Teufelei brachte neue Todesgefahr mit sich.
Von heute auf morgen konnte es aus sein. Das Beispiel Robert Tendykes zeigte es immer wieder - wenngleich er in den knapp über 500 Jahren seines bisherigen Lebens immer wieder die Chance gehabt hatte, als Sterbender nach Avalon zu wechseln und dort irgendwie regeneriert zu werden.
Er sprach nie darüber, was er dort erlebte, aber er sprach immer wieder darüber, dass der Prozess des Sterbens, den er trotzdem durchleiden musste, eine verdammt schmerzhafte Sache war, die er lieber vermeiden würde.
Aber Avalon war jetzt auch nicht mehr sicher. Zumindest wäre er beinahe nicht mehr zurückgekommen; Wege waren verschlossen worden, als Merlins Jungbrunnen im Zauberwald Broceliande zerstört wurde. Was das eine mit dem anderen zu tun hatte, wusste Zamorra nicht; er konnte nur
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