0706 - Das Galgen-Trio
Galgen stehen, ist ein Platz, wo es spukt, und dort haben die Vorfahren eines gewissen Claus von Aragon schrecklich gewütet. Sie besaßen ihre eigene Gerichtsbarkeit, und sie hängten nicht wenige Menschen auf, denn es gab nicht wenige unter ihnen, denen es Spaß machte, Menschen zu hängen.«
»Als ich die Galgen sah, hingen drei Tote in den Schlingen.«
Christina nickte.
»Hast du dafür eine Erklärung?«
»Vielleicht. Es geht eine Legende um, daß in bestimmten Nächten der Fluch auf seinen Urheber zurückkehrt.«
»Das heißt also, daß die Galgen wieder mit Toten besetzt werden. Oder nicht?«
»So kannst du es sehen.«
»Und wer hängt sie dorthin?«
»Das weiß ich nicht, John. Ich habe sie nie gesehen.«
»Und trotzdem gab es die Verbrechen.«
»Ja - Menschen, die Aragon nahestanden, wenn du verstehst. Es sah so aus, als sollten nur diese Leute sterben. Die Schinder, die in seinen Fabriken arbeiten.«
»Wie viele Tote hat es schon gegeben?« erkundigte ich mich.
»Ich weiß es nicht genau, ich bin da nicht informiert. Da müßtest du dich schon an andere Menschen wenden.«
»Das mache ich auch.« Ich kam auf die Häuser über mir zu sprechen, die an den Rändern der Felsen klebten, und wollte wissen, ob sie zu einem Dorf gehörten.
»Si, das ist Ayamonte.«
»Und ihr lebt vom Sherry.«
»So ist es. Du kannst die Weinberge von hier aus nicht sehen. Sie liegen landeinwärts.« Christina packte ihren Rucksack. »Wie dem auch sei, John, hier wirst du wohl nicht bleiben wollen.«
»Das bestimmt nicht.«
»Dann bringe ich dich zu mir.«
»In die Nähe der drei Galgen wäre es mir lieber.«
Sie winkte ab. »Keine Sorge, das erledigen wir auch noch.« Sie stand mit einer geschmeidigen Bewegung auf, blieb vor mir stehen, und ich betrachtete ihre herrlich langen Beine. »Den Eindruck eines großen Kriegers machst du mir aber auch nicht, John.«
»Stimmt.«
»Wie willst du dann…?«
Ich winkte ab. »Vielleicht habe ich noch Zeit. Da kann ich mich erholen.« Bei mir sah das Aufstehen nicht gerade geschmeidig aus. Ich kam mir vor wie jemand, an dessen Füßen gezerrt wurde, und hatte mit dem Schwindel zu kämpfen.
Ziemlich schwankend stand ich auf den Füßen, saugte die warme Luft ein und mußte leider feststellen, daß sich Strand und Meer vor meinen Augen bewegten und ineinander überliefen. Ich fürchtete schon, einen Sonnenstich mitbekommen zu haben, was mir überhaupt nicht paßte, denn das konnte haarig werden.
»Geht es?«
»Bis jetzt schon. Aber wie soll ich die Felsen hochkommen? Kannst du mir das sagen?«
»Es gibt eine Treppe«, beruhigte sie mich. »Außerdem bin ich ja bei dir.«
»Das ist auch ein Glücksfall gewesen.«
Sie lächelte und ging vor.
Ich aber war gespannt, was mich in diesem Land des spanischen Sherrys noch alles erwarten würde.
Zumindest drei lebende Leichen…
***
Es war herrlich kühl!
Ich konnte es kaum fassen, daß ich so etwas erlebte, und ich war tatsächlich in der Lage, mich ausruhen zu dürfen. Meinen Platz hatte ich auf einem großen Bett gefunden, dessen Kopf- und Fußende von hohen Metallgittern gebildet wurden und über dessen Matratze ein kühlendes Leinentuch gezogen worden war. Außer dem Bett stand noch eine aus dunklem Holz gezimmerte Konsole im Raum.
Sie war dekoriert mit einer Waschschüssel und einer hohen Kanne, in der sich bestimmt Wasser befand. Über der Konsole hing ein Spiegel, der, wenn ich in ihn hineinschaute, mir das Fenster des Raumes zeigte, das bis zum Boden reichte und vor dem von außen her ein Holzladen vorgezogen war, durch dessen Spalt Tageslicht sickerte, das sich in Streifen verteilte und ein Muster auf den Steinfußboden malte.
Die Kühle tat mir gut. Ich war auch irgendwann eingeschlafen und hatte im Halbschlaf mitbekommen, daß man sich mit mir beschäftigte, denn zarte Hände hatten mein Gesicht eingecremt.
Noch immer durchzuckten die wispernden Stimmen meine Erinnerung, und ich ging davon aus, daß es zwei Frauen gewesen waren.
Beide hatten sich dann wieder zurückgezogen und mich allein gelassen.
Es glich schon einem kleinen Wunder, denn ich fühlte mich ziemlich fit, weil ich lange geschlafen und mich während des Schlafs ausgeruht hatte.
Auch die Schmerzen in meinem Kopf waren fast verschwunden.
Ich schaute gegen die Decke. Sie zeigte, ebenso wie die Wände, einen hellen Anstrich. An einer Wand hing ein Bild. Das Porträt eines älteren Mannes, der mich aus seinen dunklen Augen anschaute, als wollte
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