0706 - Das Galgen-Trio
kann ihn getötet haben?«
»Sie!« keuchte er. »Dieses verfluchte Weibsstück, das auch dich am Strand aufgelesen hat.«
»Rede keinen Unsinn!« fuhr ich ihn leise, aber scharf an. »Christina wäre dazu nicht fähig.«
»Du kennst sie nicht.«
»Gut genug.« Ich stieß ihn an, und der Butler ging zwei, drei Schritte auf den Probiertisch zu.
An der Seite stützte er sich ab. Er drehte den Kopf von der Leiche weg. Hinschauen konnte er nicht mehr, im Gegensatz zu mir, denn ich wollte sie mir aus der Nähe anschauen.
Zuerst hatte ich an eine Lanze als Mordinstrument gedacht. Das war nicht der Fall. In seiner Brust steckte ein Eisenstab. Nicht weit entfernt sah ich andere in einem Ständer stehen. Sie sahen aus wie lange Meißel. Über ihre Funktion klärte mich der Butler auf.
»Man nimmt sie, um die Fässer zu bewegen, wenn sie zu starr sind. Sie werden als Hebel benutzt.«
»So ist das.«
Wer immer diesen Mann getötet hatte, er mußte einen wahnsinnigen Haß auf ihn gespürt haben, denn der Gegenstand war tief in seinen Körper gedrungen. Möglicherweise steckte er sogar im Tisch. Ich konzentrierte mich auf das Gesicht, das im Hellen lag und ziemlich gut zu erkennen war.
Es zeigte einen wahnsinnigen Schrecken, der auf den Zügen wie eingefroren wirkte. Ich hatte schon des öfteren einen derartigen Gesichtsausdruck gesehen und dachte daran, daß dieser Mensch in den letzten Sekunden seines Lebens etwas Unglaubliches gesehen haben mußte, über das er nicht hinwegkam.
Aber was war es gewesen?
Ich dachte an die Zombies aus dem Film. Drei Untote am Galgen, ein mörderisches Trio. War es möglich, daß sie sich auf den Weg gemacht hatten und die Nacht gar nicht erst abwarteten?
Ich drehte mich um und wollte den Butler nach einer Erklärung fragen. Er aber hockte auf der Bank und hatte seinen Kopf nach vorn gedrückt, so daß er mit der Stirn die Tischplatte berührte. Ich hörte ihn vor Angst stöhnen.
Mit ihm war nicht viel anzufangen. Zudem war ich auch nicht gekommen, um Leichen zu finden, ich suchte eine Frau namens Christina Romero, und die hatte sich bisher noch nicht gemeldet. Ich ging jedoch davon aus, daß sie sich in diesem großen Gewölbe befinden mußte.
Auch wenn der Killer noch so jammerte und auf mein Mitleid spekulierte, er würde mir einige Antworten geben müssen, sonst war ich mehr als sauer.
Ich stieß ihn mit einer Hand gegen die Schulter. Er rührte sich nicht. Erst beim zweiten Stoß wollte er wissen, was los war.
»Es geht mir um Christina. Wo steckt sie? In welche Ecke des Gewölbes hast du sie verfrachtet?«
»Weiter hinten.«
»Wo genau?«
»An der Wand, am Ende. Du… du mußt zwischen den Fässern hergehen. Dann findest du sie.«
»Und den zweiten Aufpasser auch, wie?«
»Ich weiß nicht, wo er ist. Vielleicht auch tot. Ja, ja«, bestätigte er sich selbst. »Der ist bestimmt tot. Hier hat jemand gekillt. Hier kennt keiner…«
»Schon gut«, sagte ich und drehte mich ab. Ich schaute gegen die Reihen der Fässer und sagte mir, daß es eigentlich keine Rolle spielte, welchen Gang ich nahm. Jeder würde vor einer anderen Mauer enden. Die Fässer lagen zwar aufeinander und bildeten gewisse Wände oder Mauern, sie waren aber nicht gleich hoch. Manchmal lagen drei Fässer übereinander, dann wieder nur zwei.
Ich zählte nach. Es war zum Glück so hell, daß ich die Gassen alle erkennen konnte.
Fünf standen zur Auswahl.
Ich entschied mich für die Mitte, drehte dem Tisch den Rücken zu, schaute mich aber noch einmal um und sah den Killer noch immer auf demselben Platz hocken.
Er stierte mich an, dann sprach er, wobei er seine gesunde Hand wie ein Pendel bewegte: »Eines sage ich dir, Sinclair. Das hier ist die Hölle, und auch dich wird der Teufel holen. Mir ist es sowieso egal, ich habe versagt, mein Chef wird mir nie verzeihen, aber bei dir…«
Ich winkte ab. »Beten Sie lieber, William. Vielleicht hat der Herrgott auch bei Ihnen ein Einsehen?«
»Bist du Priester?«
»Um dir diesen Rat zu geben, brauche ich beileibe kein Priester zu sein. Da genügt der normale Menschenverstand.«
Er kicherte, und dieses Geräusch begleitete mich, als ich in den Gang zwischen den hohen Fässern eintauchte und meine Füße über den Steinboden bewegte, der feucht war und an einigen Stellen matt glänzte, als würde er jeden Tag mit Wasser abgespritzt.
Der Wein roch.
Der Geruch drang auch durch das Holz der Fässer. Eine Abfüllanlage, die das kostbare Getränk auf Flaschen
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