0709 - Das Seelenschwert
Verbrecher, paktierst mit einem Polizisten…«
»Es ging um dich, meinen Sohn.«
»Ich bin kein Chinese.«
»Aber du bist mein Sohn, auch wenn deine Mutter aus den Staaten stammte.«
»Mehr auch nicht.«
Li Choung schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch, bevor er sagte: »Die Geister einer anderen Welt sind aufgebrochen, um in die unserige hineinzugleiten. Denke darüber einmal nach, Tommy. Du hast die Probleme erst erschaffen.«
»Mit denen du nicht fertig wirst.«
»Ich gebe zu, daß es schwierig sein wird.«
»Das ist mir egal. Ich will nicht mehr hier sein. Ich werde ausziehen, heute noch.«
Li Choung starrte Tommy nur an, mehr tat er nicht. Aber dieser Blick reichte aus. Er war so kalt und gnadenlos, daß Tommy Li unter ihm erschauderte, und er spürte, wie sein Widerstand allmählich zusammenbrach. Langsam aber sicher bröckelte er ab.
»Nun?«
»Ich kann nicht bei euch bleiben. Es ist nicht mein Leben. Ihr müßt mich schon gefangenhalten.«
Der alte Mann holte tief Luft. Mit der rechten Hand gab er ein Zeichen.
Aus dem Hintergrund des Zimmers, wo er wie ein lauerndes Raubtier gewartet hatte, löste sich eine Gestalt.
Es war Sadre.
Er wußte, was er zu tun hatte, blieb dicht neben Tommy Li stehen und schaute auf dessen Vater.
Der junge Mann schauderte. Etwas rann kalt über seinen Rücken. Ein Schweißtropfen, der sich seine Bahn suchte. Es lag daran, daß ihm Sadre körperlich Furcht einflößte. Er mochte diesen Mann nicht, er hatte ihn noch nie gemocht.
Aber sein Vater vertraute ihm. Er wäre mehr der Sohn gewesen als Tommy. Auch jetzt bestätigte er durch seine Worte dies wieder. »Du wirst an Tommys Seite bleiben, Sadre. Ich möchte, daß er auch sieht, was er angerichtet hat.«
»Es wird alles zu deiner Zufriedenheit erledigt werden, Meister.«
Tommy Li begehrte auf. »Verdammt, hier geht es um mich. Darf ich mal wissen, was hier gespielt wird und was man mir zeigen will? Das ist Erpressung.«
»Du gehst mit ihm, Tommy!«
»Nein, ich…« Er wollte zur Seite gehen, aber Sadre war schneller. Die Bewegung bekam Tommy nicht einmal im Ansatz mit. Da hatte der andere schon zugegriffen und sein linkes Handgelenk umklammert. Er hielt es so hart fest, daß Tommy sich nicht lösen konnte.
»Du sollst sehen, was du angerichtet hast«, erklärte ihm sein Vater. »Es ist schlimm genug. Ein anderer als du hätte es nicht überlebt, das sage ich dir.«
Man hatte Tommy Li nicht über die Vorgänge der vergangenen Nacht informiert. Er wußte nichts, gar nichts, aber er spürte das Kribbeln im Bauch, das immer dann entstand, wenn ihn etwas Schlimmes erwartete.
»Wenn du es gesehen hast, wirst du auch begreifen, daß du keinen anderen Weg mehr gehen kannst«, erklärte ihm der alte Chinese.
»Abwarten.«
»Geht.«
Tommy wurde von Sadre abgeführt wie ein Verbrecher. Diesen Mann an seiner Seite zu wissen, war ihm mehr als unangenehm. Eher schon unheimlich, denn Sadre, der Mann aus Sumatra, war das, was man als eine lebende Kampfmaschine bezeichnete. Li Choung hatte er Treue bis in den Tod geschworen, und das waren bei ihm keine leeren Worte.
Das Haus war vollständig unterkellert worden. Man konnte die unteren Räume über eine Treppe erreichen, aber auch den Lift nehmen, für den sich Sadre entschied. Vor der eloxierten Tür blieb er stehen und berührte die Sensortaste.
Die Kabine war schnell da.
Wie ein Maul öffneten sich die Türhälften und gaben den Weg frei. Tommy Li mußte vorangehen, Sadre folgte ihm mit einem gleitenden Schritt und wartete darauf, daß sich die Türen schlössen. Kalt schaute er Tommy an, der sich mit dem Rücken gegen eine Wand drückte und das Gefühl hatte, von einem Eisklotz beobachtet zu werden.
Der Lift sackte in die Tiefe.
Sehr schnell und sanft, man spürte es kaum. Schon öffneten sich wieder die Türen und gaben den Blick auf einen betonierten Gang frei. Einige Türen lockerten das Grau der Wände auf. Sie führten zu den verschiedenen Räumen, unter anderem auch zu der ständig besetzten Überwachungsanlage mit den zahlreichen Monitoren.
Das war nicht ihr Ziel.
Sie gingen weiter, bis sie eine Tür erreichten, die in den düsteren Bereich des Kellers führte.
Sadre öffnete sie mit einem besonderen Schlüssel. Bisher hatte er kein Wort mit Tommy Li gesprochen, und er blieb auch stumm, als beide den Raum betraten.
Er war ein großes, düsteres Loch mit dunklen Wänden, auf denen die Feuchtigkeit bräunlich schimmerte.
Sadre machte Licht.
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