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0709 - Märchenfluch

0709 - Märchenfluch

Titel: 0709 - Märchenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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Grinsens. Es bleckte die Fänge, wie um Billings zu zeigen, was ihn erwartete. Dann holte der Wolf mit dem Vorderlauf wie zum Hieb aus. Er würde seine Krallen in Billings' Bein schlagen, ihn zu sich herunter zerren und…
    Billings hatte ein Déjàvu! Den Eindruck, dass er das, was um ihn her geschah, schon mindestens einmal so erlebt hatte. Und es war keine Einbildung.
    Tatsächlich veränderte sich die Umgebung. Es stellte sich wieder dieser Doppelbelichtungseffekt ein, als überlagerten zwei verschiedene Szenarien einander.
    Der Wald ringsum wurde durchscheinend, löste sich auf. Was dahinter lag und stofflicher wurde, konnte Billings allerdings nicht erkennen.
    Weil er plötzlich wie ein Stein fiel!
    Das Astwerk, an dem er sich eben noch festgeklammert hatte, war auf einmal verschwunden, und er stürzte ab.
    Lester Billings schrie, und dann schlug er unter Krachen, Scheppern und Klirren irgendwo auf.
    ***
    »Ich glaub, ich steh im Wald!«, entfuhr es Nicole Duval entgeistert.
    Und mit diesem Eindruck stand sie nicht allein da!
    Die Wirklichkeit wurde für einen Moment, vielleicht nur den Bruchteil einer Sekunde, unwirklich. Nicht nur das Speisezimmer mit seinem puppenstubenhaften Ambiente, auch das Haus und alles, was sich jenseits seiner Wände erstreckte, verblasste einen Lidschlag lang unter der Düsternis eines unheimlichen Waldes mit gewaltigen Bäumen, deren Äste teils wie riesenhafte Krallenhände aussahen. Selbst der Geruch des Waldes, eine kühle wie würzige Frische, und das Rauschen des Windes in seinen mächtigen Wipfeln waren wahrzunehmen.
    Und dann klinkte die Realität wieder ein, und alles schien beim Alten.
    Ein Irrtum…
    Zamorra war vielleicht eine halbe Sekunde vor Nicole und Lucinda auf die Veränderung aufmerksam geworden. Oder vielmehr, Merlins Stern hatte ihn darauf aufmerksam gemacht. Das Amulett hatte sich erhitzt, ohne Zamorra jedoch die Haut zu verbrennen. Zugleich schien es mit einem Mal zu pulsieren, als schlüge ihm ein zweites Herz nicht in, sondern vor der Brust.
    Er reagierte reflexhaft und sprang auf. Der Stuhl kippte hinter ihm weg, derweil Zamorra schon das Hemd vor der Brust auseinander riss. Knöpfe sprangen ab, dann lag das Amulett frei.
    Doch da waren die Dinge längst in rasenden Fluss geraten!
    Der Mann fiel wie aus dem Nichts und doch wuchtig wie aus beträchtlicher Höhe zwischen sie.
    Schreiend krachte er auf den Esstisch. Geschirr und Besteck wurden beiseite gewirbelt und klirrten zu Boden. Der Topf kippte um, das Stew schwappte über den Tisch.
    Der Mann rappelte sich mühsam auf die Knie, kroch davon, verhedderte sich dabei im Tischtuch und glitt über die Kante.
    Noch bevor er auf dem Fußboden aufschlug, brach der Tisch splitternd und krachend zusammen.
    Gleichfalls wie aus heiterem Himmel war eine zweite Gestalt herabgestürzt, und deren Gewicht und Ansturm hatte der Tisch nicht standgehalten.
    Der gewaltige Wolf richtete sich inmitten der Trümmer auf.
    »Kümmere dich um Miss Lucinda!«, rief Zamorra und versetzte Nicole einen leichten Stoß, der sie in Richtung der alten Lady und aus der unmittelbaren Reichweite des Wolfs trieb.
    Miss Lucinda saß noch auf ihrem Stuhl, stocksteif vor Schrecken, mit fast kreisrunden Augen. Nicole packte sie an den Schultern und zog sie mit sich fort.
    In dieser winzigen Zeitspanne hatte der Wolf bereits zum Sprung auf den Mann angesetzt, den noch immer die Tischdecke an jeglichem ernsthaften Fluchtversuch hinderte.
    Zamorra hatte die Kette mit dem Amulett über den Kopf gezogen, wirbelte sie jetzt in der Hand, so dass die Silberscheibe einen flirrenden Kreis in die Luft malte - und aus dieser Bewegung heraus schlug er zu!
    Das Amulett traf die Schulter des Wolfs. Wie eine rasiermesserscharfe Klinge fuhr die Kante durch Fell und Fleisch darunter. Riss eine klaffende Wunde, aus der nicht etwa Blut quoll, sondern eine zähe, schmutzigweiße Masse wie Eiter.
    Das Untier brüllte auf und ruckte herum. Aus rot glühenden Augen stierte es Zamorra an, der sein wichtigstes Ziel erreicht hatte - das Biest war jetzt erst einmal mehr an ihm als an dem anderen Mann interessiert.
    Die Kreatur ähnelte vielmehr einem Werwolf als einem gewöhnlichen Wolf.
    Trotzdem war Zamorra ziemlich sicher, dass es sich nicht um einen solchen handelte.
    Werwölfe hatte er schon zu Dutzenden bekämpft, und das Amulett reagierte in aller Regel aggressiver auf deren Nähe. Hier aber hatte es sich lediglich erwärmt, ohne allerdings selbst aktiv zu werden,

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