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0709 - Märchenfluch

0709 - Märchenfluch

Titel: 0709 - Märchenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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deren Bewohner keinerlei Notiz von ihm nahmen, obwohl er doch schon seiner neuzeitlichen Kleidung wegen auffallen musste!
    Die unmöglichen Veränderungen nahmen kein Ende. Bisweilen genügte es, dass Billings einfach nur den Kopf wandte. Zum Beispiel hatte er vor sich noch eine blühende Heidelandschaft gesehen, während hinter ihm verschneite Berge lagen.
    So ging es unentwegt fort, aber auch das blieb nicht die einzige Absonderlichkeit.
    Eine weitere waren die Gestalten, denen Billings mitunter begegnete -sprechende Tiere, Hexen, Zauberkundige. Einmal folgte er ein paar Schritte weit einer Spur aus Brotkrumen, die in einem jener monströs anmutenden Wäldern auslag.
    Das Merkwürdigste jedoch war, dass ihm all das keineswegs wirklich fremd, sondern eigentümlich vertraut vorkam. Als würde er all die seltsamen Geschöpfe und die bizarren Szenarien, in denen sie und er sich bewegten, von irgendwoher kennen.
    Und so war es auch, mochte es ihm auch unmöglich, völlig absurd erscheinen. Er kannte diese Gestalten aus Märchen, die er vor weit über 30 Jahren als Kind gehört hatte. Und die Landschaftsbilder entsprachen jenen, die seine Fantasie damals eigenmächtig dazu erfunden hatte, wie eine Bühne nebst passenden Kulissen, auf der die festgeschriebenen Geschichten spielten, zusätzlich noch bevölkert mit »Statisten«, die in den Märchen selbst gar nicht auftauchten.
    In diesem Augenblick erkannte Lester Billings, dass jeder seiner Gedanken nicht nur gefährlich, sondern auch sein letzter sein konnte.
    Aber da beging er auch schon den verhängnisvollen Fehler, der ihn in die jetzige Situation manövriert hatte.
    Ich darf, schoss es ihm durch den Kopf, auf keinen Fall an den großen bösen Wolf oder so etwas denken!
    Und noch im selben Moment hörte er auch schon das kehlige Grollen und Knurren aus den blauschwarzen Schatten, die wie Löcher ins Nichts zwischen den gewaltigen, knorrigen Baumstämmen ringsum klafften!
    Der Wolf verzichtete darauf, mit seinem Opfer zu spielen. Er kam aus den Schatten, und Billings' Blase entleerte sich, ohne dass er es verhindern konnte.
    Das Tier war groß und kräftig wie ein Grizzlybär. Und obwohl es zweifelsfrei ein Wolf war, so war sich Billings doch sicher, dass es nirgendwo auf der Welt ein auch nur vergleichbares Exemplar gab. Das Biest sah aus, als wäre es der Fantasie eines Effektspezialisten für Horrorfilme entsprungen, oder dem Bild eines begabten Malers mit einer Vorliebe für Monstermotive.
    Billings stand da, zitterte und war nicht imstande, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Irgendwie wusste er zwar, dass darin die Rettung gelegen hätte, aber er konnte es einfach nicht. Er schaffte es nicht, sich fortzudenken, irgendwohin, nur weg von diesem Ungeheuer!
    Sein Überlebensinstinkt riss die Kontrolle über seinen Körper an sich und ließ ihn rennen.
    Der Wolf setzte ihm nach, mit kräftigen Sätzen, aber ohne große Eile.
    Billings glaubte, sich selbst beobachten zu können. Als liefe er unsichtbar neben sich her. Er sah, wie er im Lauf einen der wie schuppig wirkenden Baumstämme ansprang und sich mit einer Geschicklichkeit, von der er nicht wusste, dass er sie besaß, höher schob, immer weiter hinauf, bis zu den ersten Ästen, die selbst wie Bäume nach allen Seiten hin ragten.
    Der Baum erbebte wie unter dem Axthieb eines Riesen, als auch der Wolf hochsprang, die Krallen in die Rinde grub und sich empor zog.
    Billings kletterte weiter. Wenn er hoch genug war und die Äste unter ihm dicht genug, dann konnte er sich das Ungeheuer vielleicht mit Fußtritten vom Leibe halten.
    Darauf baute er, diese Hoffnung füllte sein Denken so aus, dass für andere Gedanken kein Platz blieb. Aber diese Hoffnung wollte sich nicht erfüllen.
    Der Wolf zerfetzte Geäst, das ihm im Wege war, unter Einsatz von Zähnen und Pranken, mit brachialer Gewalt. Dieses Monster hatte nicht einfach nur Pfoten, sondern tatsächlich Pranken wie irgendein Untier, das der Teufel höchstpersönlich in Gottes Schöpfung gemogelt hatte!
    Und dann entpuppte sich Billings' Plan als Bumerang.
    Plötzlich war Endstation. Weiter ging es nicht.
    Über ihm war das Astwerk so dicht, dass es für ihn kein Durchkommen mehr gab. Er war gefangen wie in einem natürlich gewachsenen Käfig. Der einzige Ausweg wäre der Rückweg gewesen, doch den blockierte der riesige Wolf, der jetzt schon so nahe war, dass Billings seinen heißen Atem spüren konnte.
    Die Lefzen des Tiers verzogen sich zur bösen Karikatur eines

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