071 - Im Angesicht des schwarzen Gottes
eingebildet, Billy. Was sollte denn ein fremder Mann von uns wollen? Wir sind nicht reich. Bei uns gibt es nichts zu holen.«
»Er wird kommen. Ich weiß es. Ich weiß es.«
»Schluß damit«, sagte Talia Lambert energisch. »Du gehst jetzt auf der Stelle nach oben. Wenn du möchtest, darfst du in Dads Bett schlafen, aber ich möchte, daß du endlich ins Bett gehst !«
Ein Geräusch ging durch das Haus. Talia zuckte heftig zusammen. Billy warf sich schluchzend gegen sie. »Das ist der Mann, Mummy. Er will herein. Er will uns etwas antun. Ich habe solche Angst.«
»Still«, sagte Talia heiser. »Sei bitte still, Billy.«
Jetzt glaubte sie nicht mehr, daß sich Billy den Mann eingebildet hatte. Sie ging vor dem Kleinen wieder in die Hocke, nahm Billys Gesicht zwischen ihre Hände. »Hab keine Angst, mein Junge. Niemand wird dir etwas tun.«
Während sie das sagte, durchrasten sie schreckliche Gedanken. Es gab Triebverbrecher. Sexualstrolche. Der Kerl konnte herausgefunden haben, daß hier die ganze Woche hindurch kein Mann im Haus war.
Vielleicht bildete er sich ein, aushelfen zu müssen. Billy steckte sie mit seiner Angst an. Das Kind ließ sich nicht beruhigen. Talia redete ununterbrochen auf ihn ein. Er schien sie nicht zu hören, schluchzte und weinte immer lauter. Vielleicht hätte ihn Talia mit einer Ohrfeige zum Schweigen gebracht, aber es widerstrebte ihr, den Jungen zu schlagen. Das hatte sie noch nie getan.
»Hör zu«, sagte sie, und als er nicht still wurde, schüttelte sie ihn leicht. »Nun hör mir doch bitte mal zu!«
Endlich verstummte Billy.
»Sehr brav«, lobte ihn seine Mutter. »Paß auf, du gehst jetzt nach oben und schließt dich in unser Schlafzimmer ein. Verkriech dich unter der Bettdecke und mach die Tür auf gar keinen Fall auf. Hast du mich verstanden? Auf gar keinen Fall, Billy. Erst wenn ich dich darum bitte, öffnest du die Tür, okay?«
Sie wischte ihm die Tränen von den Wangen.
»Was meinst du, wie stolz Dad sein wird, wenn ich ihm erzähle, wie tapfer du gewesen bist. Das wird ihm so mächtig imponieren, daß er dir garantiert ein wunderschönes Spielzeugauto schenken wird.«
»Das Gelbe mit den roten Streifen, das ich bei Mrs. Grimsley gesehen habe?«
»Genau das«, sagte Talia Lambert und nahm ihren Sohn bei der Hand.
Sie führte ihn aus der Küche und scheuchte ihn die Treppe hinauf. Als sie hörte, wie er die Schlafzimmertür schloß und absperrte, atmete sie kurz erleichtert auf, aber dann war die Angst gleich wieder da.
Sie lauschte mit angehaltenem Atem. Ihr Herz schlug schneller. Deutlich vernahm sie das Klopfen, aber sonst hörte sie nichts. Dennoch wußte sie, daß vorhin jemand versucht hatte, die Gartentür zu öffnen.
Aufgewühlt fragte sie sich, wie man sich in so einem Fall verhielt.
»Polizei«, flüsterte sie.
Ja, sie mußte unverzüglich die Polizei verständigen. Man mußte einen Wagen schicken.
Das Telefon stand gleich neben der Treppe. Sie griff nach dem Hörer, hob ihn aus der Gabel und wählte den Polizeinotruf.
»Hallo! Hallo!«
Nichts. Keine Reaktion. Die Leitung war tot. So tot, wie Talia Lambert vielleicht auch bald sein würde.
***
Es hatte ihn große Mühe gekostet, für kurze Zeit menschliches Aussehen anzunehmen, aber wenn er als Monster auf den Autobus gewartet hätte, hätte der Fahrer nicht angehalten.
Die pneumatische Tür öffnete sich mit einem lauten Zischen, und Jacques Dejoux lachte grausam in sich hinein. Ein Opfer. Er hatte endlich ein Opfer.
Aufgeregt stieg er ein - und kaufte ein Ticket. Er wollte noch nicht sofort zuschlagen. Wie eine Wildkatze wollte er zunächst mit seinem Opfer »spielen«.
Phil Montgomery sah die knallrote Narbe an der Wange des Franzosen und hielt ihn für einen Raufbold. Für gewöhnlich unterhielt er sich mit den Fahrgästen, wenn er Langeweile hatte, obwohl ihm das die Dienstvorschriften untersagten, denn ein Gespräch konnte den Fahrer ablenken und erhöhte somit das Unfallrisiko.
In diesem Fall fiel es ihm nicht schwer, sich an die Dienstvorschriften zu halten. Der Mann war ihm nicht sympathisch.
Montgomery schloß die Tür, während sich Dejoux setzte. Der Fahrer ließ den Bus langsam anrollen.
Dejoux blickte auf seine Hände und beobachtete grinsend, wie sie zu gefährlichen Tigerpranken wurden.
Montgomery konnte sie nicht sehen. Er sah nur den dämlich grinsenden Fahrgast im großen Innenspiegel, und er sagte sich, der Mann könne sie nicht alle beisammen haben.
Er bog links ab.
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