0711 - Die Psycho-Bombe
zurück. Nico hörte seine Schritte überdeutlich und drehte den Kopf.
Nein, der Fremde hatte nicht vor, ihn zu verlassen. Er hatte nur Distanz zwischen sich und den Jungen gebracht und fragte mit seiner rauhen, zischenden Flüsterstimme: »Wie fühlst du dich?«
»Mies, sehr mies.«
»Das wird sich geben.« Cigam bewegte seine Hand von unten nach oben. »Los, komm hoch!«
Nico stand auf.
Wieder wunderte er sich, wie glatt und sicher er auf die Füße kam. Nichts hinderte ihn mehr daran.
Er hatte das Gefühl, schweben oder fliegen zu können.
»Es geht dir gut, wie ich sehe.«
»Kann man sagen…«
»Dann komm zu mir. Du hast den Kuß bekommen, die Kraft steckt in dir. Jetzt muß ich dir noch erklären, wie du sie umsetzen kannst. Du wirst zeigen und beweisen, daß du einer von uns geworden bist. Und du wirst dich darüber freuen, wenn du siehst, was alles auf dieser Welt möglich sein kann.«
»Meinst du, daß ich…?«
Cigam drehte sich um. Er verließ den Führerstand des ehemaligen Schleppkahns und wartete an Deck.
Der Junge zögerte noch. Sein Blick glich einem Stieren, als er zu Boden starrte, dann die Schultern hob, weil er sich sagte, daß es besser war, den Anordnungen zu folgen.
Auch er verließ den Ort.
Cigam hatte schon auf ihn gewartet. Er drehte Nico den Rücken zu und schaute über das dunkle Wasser, das sich kaum bewegte. Nur sehr schwache Wellen liefen gegen das Ufer an oder endeten mit klatschenden Geräuschen an der Bordwand.
»Stell dich neben mich, Nico!«
Der Junge gehorchte. Wie auch Cigam, so legte er ebenfalls seine Hände auf die Reling.
»Ich habe dir versprochen, etwas zu sagen und dich für die Zukunft vorzubereiten. Das werde ich jetzt tun. Du wirst mir zuhören, und ich sage dir bereits jetzt, daß du mir jedes Wort glauben mußt. Hast du verstanden?«
»Ja.«
»Für dich ist eine neue Zeit angebrochen. Du hast eine immense Stärke erreicht, aber du darfst niemals vergessen, wem du tatsächlich gehörst. Mir und dem Teufel.«
»Ich weiß.«
»Dann hör genau zu, Nico, was ich dir jetzt mitteilen werde, denn ich sage es nur einmal…«
***
Nico wußte nicht, wie lange Mitternacht schon vorbei war, es interessierte ihn auch kaum. Er dachte auch nicht daran, daß er jetzt ein Jahr älter geworden war, seine Gedanken drehten sich nur um die Tatsache, daß sich sein Leben von nun an geändert hatte und es in Zukunft in anderen Bahnen ablaufen würde.
Cigam war nicht mehr da. Wenigstens nicht sichtbar, aber den Gedanken an ihn bekam der Junge nicht aus dem Kopf. Was Cigam ihm mitgeteilt hatte, war so unfaßbar, daß es nicht einmal ein Erwachsener geglaubt hätte, geschweige denn ein Junge.
Aber es mußte stimmen, denn was hätte es für einen Sinn gehabt, ihn anlügen zu wollen?
Er war nicht mehr der kleine Junge. Er war jetzt zu einer Bombe geworden, denn die andere Kraft hatte ihn dazu gemacht.
Nico - die Psycho-Bombe!
Das hatte ihm Cigam immer wieder eingehämmert und erklärt, daß er besser und mächtiger war als die Menschen. Daß er mit ihnen spielen konnte, daß sie tun mußten, was er sagte, daß ihm vieles möglich war, von dem andere nur träumten.
Und zum Abschluß hatte Cigam ihm noch ans Herz gelegt, es nur auszuprobieren.
»Starte den Versuch in dieser Nacht! Tue es, und du wirst begeistert sein!«
Dann war er gegangen, und Nico hatte nicht einmal gesehen, wohin er verschwunden war.
Tu es!
Immer wieder hallte dieser letzte Befehl in seinem Kopf wider. Es tun, sich beweisen, wozu man fähig ist. Das war doch die Chance, der Tritt ins andere Leben.
Er schaute über das stille Wasser, während er seinen Gedanken nachhing. Diese Nacht unterschied sich nicht von den anderen, und doch war sie anderes gewesen, ganz anders.
Für ihn…
Er hörte sich selbst atmen. Das Gluckern der Wellen in Ufernähe schien ihm Botschaften zu übermitteln. Er hatte den Eindruck, als würde man mit ihm sprechen, als wäre die Luft um ihn herum angefüllt vom Flüstern zahlreicher Stimmen.
Er schaute zur Seite, und sein Blick fiel dabei auf das alte Boot, auf seinen Unterschlupf.
Cigam hatte ihm geraten, es zu seinem Testobjekt zu machen. Hier würde er kein Aufsehen erregen, um das Schiff kümmerte sich sowieso niemand, und das nächste Hochwasser, verbunden mit harten, wütenden Wellen hätte es sowieso nicht überstanden.
Aber es war ihm eine Heimat geworden. Er konnte es nicht einfach vernichten, brutal zerstören.
Oder doch?
Tief atmete er ein.
Die Luft war
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