0711 - Die Psycho-Bombe
kälter geworden, würziger. Was ging ihn überhaupt das Schiff an. Es gehörte nicht mehr zu ihm, es war ein Teil seines anderen Lebens, mit dem er abgeschlossen hatte.
»Du mußt deine neue Kraft sammeln, sie kanalisieren, und du mußt nur wollen!«
So hatte er gehört.
So würde es sein!
So mußte es sein!
Er wollte es tun, und er stemmte seine Hacken hart in den weichen Uferboden.
Dabei hatte er sich breitbeinig aufgebaut, als könnte er in dieser Haltung seine Kraft besser unter Kontrolle halten.
Er konzentrierte sich.
Nicos Blick galt allein dem alten Schiff. An nichts anderes dachte er. Nur daran, daß er es schaffen wollte, daß er es einfach mußte. Alles andere spielte keine Rolle.
Noch tat sich nichts.
Aber er spürte doch, wie sich der Kraftstrom in seinem Innern kanalisierte, wie es ihm auch gelang, ihn außerhalb des Körpers zu leiten und dem neuen Ziel entgegenzubringen.
Das alte Schiff zitterte!
Es war kein Schwanken, wie es normalerweise von Wellen verursacht wurde. Das ganze Schiff vibrierte, es war dabei, sich auszubreiten, dehnte sich in allen Fugen, stöhnte, ächzte, knarrte und fing an zu jammern.
Er konnte es! Er konnte es! Innerlich jubelte Nico auf. Jetzt wollte er nicht nachlassen und beweisen, wozu er mit seinen dreizehn Jahren und durch die Kräfte des Teufels gestärkt, fähig war.
Das Schiff hob ab.
Wasser, das bisher still unter seinem Kiel gelegen hatte, geriet in Bewegung. Es schäumte auf und bildete auf der Oberfläche einen hellen Teppich aus Blasen.
Das Schiff schwebte höher.
Und Nico stand da wie ein Mensch, der stumm vor sich hinjubelte. Seine Augen zeigten einen hellen Glanz, in dem sich das Licht der Sterne gefangen hatte, und er mußte den Kopf immer weiter heben, um den Flug des Schiffes verfolgen zu können.
Es stieg höher, immer höher…
Nico kam sich vor wie ein lebender Joystick, der einfach die Kraft besaß, bestimmte Gegenstände in die von ihm gewünschte Richtung zu leiten. Und dies nur durch gedankliche Befehle, durch die Kraft der Telekinese.
Das alte Schiff blieb in derselben Höhe, aber es schwankte allmählich zur Seite.
Es glitt auf die Mitte des Flusses zu, und genau dorthin hatte es Nico auch haben wollen.
Alles lief nach Plan, nichts störte ihn, es ging so wunderbar glatt, er konnte weiter jubeln. Schon jetzt war er Cigam dankbar, daß dieser ihm die neue Kraft gegeben hatte.
Er brauchte nicht mehr da zu sein, der Lehrling fühlte sich bereits als Meister.
Der tote Flußarm war nicht sehr breit. Nico wollte auch nicht, daß sein schwebendes Schiff das andere Ufer erreichte, er wollte das Finale in der Mitte einläuten.
Nur noch wenige Sekunden, dann hatte das Schiff genau den Ort erreicht, den er für wichtig fand.
Er ›stoppte‹ es.
In der Luft blieb es schweben. Vielleicht hatte es die Höhe von ungefähr sieben Yards erreicht, mehr auf keinen Fall.
Es sah aus wie ein Gemälde, das man kurzerhand in die Luft gehängt hatte.
Wasser tropfte von seinem Kiel in den Flußarm. Schlick, Schlamm und Pflanzen bildeten eine Schicht, die wie nasse Wolle aussah und den Bootskiel umschnürte.
Es stand wunderbar, wie für ihn geschaffen!
Nico konzentrierte sich. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Die Kraft richtete er voll und ganz gegen dieses alte Schiff, das vor seinen Augen zerbrechen sollte.
Er spürte in seinem Kopf die Schmerzen. Sie waren wie Blitze, die von umhertanzenden Billardkugeln abgegeben wurden und keine Stelle in seinem Schädel ausließen.
Das alte Schiff bäumte sich auf. Es stieg mit dem Bug in die Höhe, als wollte es sich noch einmal gegen das Schicksal wehren, das auf es zukam.
Es hatte keine Chance!
Zuerst zerbrach der Bug. Er wurde buchstäblich vor den Augen des Jungen zerfetzt, flog krachend auseinander, und sofort danach folgten Mittelteil und Heck.
Das alte Schiff, ein Teil seiner Heimat, seines Lebens, flog auseinander, als wäre es von Riesenfäusten zerrissen worden.
In das gewaltige Knirschen hinein schickte Nico sein Lachen. Es hörte sich an wie nie. Es war vom reinen Triumph geprägt, von dem Wissen, Sieger zu sein, und es störte ihn auch nicht, daß die Trümmer verschiedene Wege fanden und sogar auf den beiden Uferstreifen landeten.
Er selbst wurde nur einmal gestreift und dirigierte ansonsten die Trümmer, die in seine Richtung wirbelten, von sich weg.
Das Wasser geriet in wilde, schaufelnde Bewegungen. Wellen wuchteten hoch und hieben klatschend gegen das Ufer, wo sie überspülten
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