0714 - Die Totenfrau ist da
ich bekam.
Als ich den Friedhof verließ, stand nur noch ein Wagen dort, nämlich meiner.
Mitten auf dem Dach hockte eine pechschwarze Katze, die mich böse anfunkelte.
Auf mich wirkte sie wie ein Omen, das der Teufel geschickt hatte. Wie eine schaurige Warnung.
Erst als ich den Rover fast erreicht hatte, drehte sie sich mit einer träge wirkenden Bewegung um und sprang auf den Gehsteig. Lautlos huschte sie davon.
Nachdenklich stieg ich in mein Auto und startete. Tief in meinem Innern ahnte ich, daß mit dem Tode des Professors der Fall erst begonnen hatte…
***
Fast drei Stunden später!
Wie oft nach der Beerdigung verschwand die bedrückte Stimmung bei dem Reueessen, und Heiterkeit kam auf. Wer fuhr, trank nichts, aber andere stießen mehrmals auf den Toten an, und sie redeten von früher.
Da ich einige Männer kannte, mußte ich mich daran beteiligen. Wir gruben tief in der Erinnerung nach, aber ich war nicht so recht bei der Sache, denn immer wieder schaute ich zu dem viereckigen Tisch hin, wo die Witwe mit zwei weißhaarigen Männern saß, ehemaligen Kollegen des Toten.
Auch Selma schien nicht ganz bei der Sache zu sein. Sie warf mir hin und wieder einen Blick zu, und manchmal huschte ein Lächeln um ihren Mund.
Sie hatte Hut und Schleier abgenommen. Jeder sah, das Selma Scott eine schöne und reife Frau war.
Über sie wurde auch gesprochen.
Einige meiner ehemaligen Kommilitonen wußten besser über sie Bescheid. Selma hatte tatsächlich als Mannequin gearbeitet, später eine Agentur geführt, die aber pleite gegangen war. Dann hatte sie Hyram Scott kennengelernt und ihn um den Finger gewickelt, so daß er sogar in die Ehe eingewilligt hatte.
Wer sie näher betrachtete, mußte von einer reifen Schönheit sprechen. Auch ihre Figur war noch top, da saß alles an der richtigen Stelle. Es war sehr warm im Gastraum. Sie hatte die Kostümjacke ausgezogen und zwei Knöpfe ihrer weißen Bluse geöffnet. Im Ausschnitt war die sonnenbraune Haut zu sehen.
Irgendeiner machte immer den Anfang. Ich war froh, als die ersten sich erhoben und sich von Selma verabschiedeten. Auch die beiden Herren an ihrem Tisch standen auf.
Die Wirtin fragte mich, ob ich noch Wünsche hätte, und ich bestellte mir eine Tasse Kaffee.
»Kommt sofort.«
Ich wurde gefragt, ob ich nicht mitwollte. Als ich ablehnte, grinsten einige aus der alten Clique.
»Sag nur nicht, daß du noch Geister jagen willst.«
»So ungefähr.«
»Auf dem Friedhof waren keine. Nicht einmal Zombies.«
»Seid froh.«
»Die gibt es doch nur im Film.«
»Bestimmt.«
Wir schlugen uns gegenseitig auf die Schultern, und wir merkten auch, daß wir uns auseinander gelebt hatten. Man hatte sich einfach nichts mehr zu sagen. Es wurde auch kein neues Treffen mehr vereinbart. Man wünschte sich gegenseitig viel Glück und würde sich irgendwann wieder treffen, und wenn es auf einer Beerdigung war.
Ich setzte mich nicht erst hin. Selma Scott verabschiedete die Trauergäste, hatte für jeden ein Lächeln, ein paar Worte, und dann war der Gastraum plötzlich leer, bis auf die Wirtin, die junge Kellnerin, Selma und mich.
Rauchschwaden hingen noch als Erinnerung zwischen Decke und Fußboden. Die Wirtin wollte lüften und öffnete mehrere Fenster. Als sie das tat, hörte ich das schrille Schreien irgendwelcher Katzen, fuhr herum und sah einige der Tiere von der äußeren Fensterbank springen.
Die Wirtin schimpfte hinter ihnen her.
»Sind das Ihre Katzen?« fragte ich.
Selma kam näher. Sie lächelte dabei. »Hyram liebte Katzen. Sie trauern um ihn. Es sind die Tiere, die von ihm gefüttert wurden. Sie stammen aus der Nachbarschaft. Er hat sich stets rührend um sie gekümmert, und sie müssen gemerkt haben, daß er tot ist.«
»Ja, das stimmt.«
»Sie akzeptieren das, John?«
»Ich sah sie noch auf dem Friedhof.«
Selma strich sich eine blonde Haarsträhne zurück. »Ach ja? Ich habe sie dort nicht entdeckt.«
»Sie kamen wohl später, um Abschied zu nehmen. Sie umstellten das Grab. Eine Katze mochte es wohl nicht, daß ich auch noch dort stand. Sie sprang mich an und schlug ihre Krallen in meine Wade.«
»Das tut mir leid.«
»Ist nicht so schlimm.« Ich lächelte. »Wollten Sie nicht noch mit mir reden?«
»In der Tat, das wollte ich.« Sie wirkte sehr nachdenklich und schaute zur Seite. »Aber nicht hier. Ich würde vorschlagen, daß wir zu mir gehen. Oder müssen Sie noch weg?«
»Nein, das nicht.«
»Dann stimmen Sie zu?«
»Natürlich.«
Sie
Weitere Kostenlose Bücher