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0718 - Das Dorf der Toten

0718 - Das Dorf der Toten

Titel: 0718 - Das Dorf der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle und Timothy Stahl
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kann.«
    ***
    Agnes Brunner besuchte das Grab des Fremden zur mondlosen Mitternacht. Sie trug eine Petroleumlampe bei sich, deren Schein über die anonymen Kreuze huschte. Die benannten Gedenksteine der Ersten erreichte das Licht nicht, da sie wesentlich weiter entfernt standen.
    Minutenlang hielt Agnes stumme Zwiesprache mit dem Toten.
    Der Boden unter ihren Füßen war gefroren, und die Kälte durchdrang fast mühelos die Ledersohlen ihrer Schuhe. Selbst die salzigen Tränen, die ihr über die Wangen rollten, drohten zu Eis zu erstarren. Agnes hatte eine Decke übergeworfen. Dennoch zitterte sie vor Kälte - und Wut.
    Dazu kam die Verzweiflung.
    Das Gefühl, so nicht länger weitermachen zu können - und zu wollen.
    Seit drei Tagen - solange, wie der Fremde nun schon beerdigt war - tat sie nichts anderes mehr, als über sich nachzudenken. Und je länger sie grübelte, desto aussichtsloser erschien ihr ihre Lage. Sie war allein. Ganz allein. Ihre Angehörigen waren einer Feuersbrunst zum Opfer gefallen. Meister Nestor hatte nichts mehr für sie tun können, für ihre verkohlten Leichen.
    Wie oft hatte sich Agnes seither gewünscht, in jener Nacht nicht als einziges Familienmitglied gerettet worden zu sein. Nicht überlebt zu haben.
    Doch das Schicksal hatte es anders bestimmt. Beherzte Männer aus dem Dorf hatten das brüllende, jammernde Kind, das sie damals noch gewesen war, aus seiner Kammer geholt. Durch Rauch und Flammen war Agnes ins Freie geschleppt worden. Und - bis zu ihrem Erwachsensein - in die Obhut einer anderen Familie gegeben worden. Dort hatte sie sich nie wohl oder auch nur akzeptiert gefühlt. Schließlich hatte man ihrer Bitte stattgegeben, in das verheerte Elternhaus einzuziehen. Die Gemeinde hatte es mit vereinter Kraft wieder hergerichtet.
    Doch noch immer, Jahre danach, konnte Agnes den Brandgeruch durch die Farbe hindurch wahrnehmen. Und manchmal wachte sie nachts schweißgebadet auf, weil sie von ihren brennenden Eltern träumte.
    Sie hatte immer panische Angst vor dieser Art von Tod gehabt.
    Doch nun…
    Alles war anders geworden, seit sie dem Fremden begegnet war, mit ihm gesprochen hatte. Er war der erste, der ihr zugehört und sie betrachtet hatte, wie sie es sich immer gewünscht, hier in Elkhart aber bei niemandem gefunden hatte.
    Ihre Hand glitt in die Umhängetasche, in der sich neben anderem auch das Buch befand. Das Buch, das einem früheren Unglücklichen gehört hatte, der jetzt unter einem der namenlosen Kreuze verscharrt lag.
    Mit Hilfe dieser Fibel hatte sich Agnes selbst jene Sprache beigebracht, die in Elkhart verpönt war.
    Englisch.
    Es war ein Wörterbuch: Englisch-Deutsch, Deutsch-Englisch. Sie konnte die Abende nicht zählen, die sie über der aufgeschlagenen Fibel eingeschlafen war. Und für einen winzigen Moment hatte es den Anschein gehabt, als würde die Mühe belohnt werden.
    Als der Fremde kam.
    Lanzelott Farnswörs.
    Sie hatte sich seinen Namen gemerkt. Und nun nahm sie ein Stück Kreide und schrieb die beiden Worte auf das dunkle Holz des Kreuzes.
    Sie wusste, dass Meister Nestor sie dafür maßregeln würde.
    Es hielt sie nicht ab, einen weiteren, noch schwerwiegenderen Entschluss zu fassen - und in die Tat umzusetzen.
    ***
    »Oregon also.« Zamorra nippte an seiner zweiten Tasse Kaffee. »Ist er auf der Suche nach einem Bigfoot?«
    Das Bistro war klein, gemütlich und wegen des schlechten Wetters gut besucht. Zamorra, Nicole und Rachel hatten trotzdem das Glück, einen freien Tisch ergattern zu können, der allerdings kaum Platz genug für ihre drei Kaffeegedecke bot. Und eine unbedachte Ellbogenbewegung konnte den Leuten am Nebentisch glatt die Croissants vom Teller fegen.
    Rachel Farnsworth, die bereits erzählt hatte, wohin ihr Mann Lance aufgebrochen war und warum, schüttelte auf Zamorras Frage hin den Kopf. »Nein. Lance wusste wohl selbst nicht recht, was auf diesem Luftbild eigentlich zu sehen war. Aber für einen Bigfoot hielt er es jedenfalls nicht. Deshalb war er ja so gespannt darauf.«
    Zamorra bewunderte Rachel Farnsworth' Einstellung. Einerseits hatte sie mit dem Beruf ihres Mannes absolut nichts zu tun, schon weil sie in ihrem eigenen zeit- und nervenaufreibenden Job, der sie fortwährend zwischen ihren Wohnsitzen in New York und Paris hin- und herjetten ließ, voll aufging. Zum anderen aber nahm sie die Arbeit von Lance so ernst wie ihre eigene.
    Darin lag wahrscheinlich ein Teil des Grundes, weshalb die Ehe der Farnsworth' Bestand hatte,

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