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0718 - Das Dorf der Toten

0718 - Das Dorf der Toten

Titel: 0718 - Das Dorf der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle und Timothy Stahl
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brechen.«
    Agnes nickte. Ihr Mund war schmal wie ein Strich. Bis sie ihn öffnete. »Ist Euch je in den Sinn gekommen, dass sie falsch sein könnten, Frau Nestor - unsere Regeln?«
    »Du versündigst dich.«
    Agnes lachte heiser. Sie schüttelte den Kopf. Sie trug das Haar offen diese Nacht, nicht streng nach hinten frisiert und verknotet wie sonst. Auch das ein Versuch, sich zu befreien - frei zu machen von allem, was ihr die Luft zum Atmen nahm.
    »Ich, Frau Nestor? Schaut in den Spiegel. Was seht Ihr dann? Seht Ihr überhaupt etwas?«
    Die Schwaden, die in den Pupillen vorbeidrifteten, schienen einen Moment ins Stocken zu kommen. Agnes hatte sich oft gefragt, was dieses Phänomen zu bedeuten hatte. Aber im Grunde fürchtete sie sich, die Antwort eines Tages zu erhalten. Dann, wenn sie selbst an der Reihe war…
    Ihre Hand schob sich in die Umhängetasche. »Euer Gemahl«, sagte sie, »ruft ihn heraus - bitte. Ich muss mit ihm sprechen. Es ist wichtig.«
    »Nichts kann so wichtig sein, dass es nicht Zeit bis morgen hätte.«
    »Es eilt«, widersprach Agnes und schaffte es nur mühsam, das Verlangen zu unterdrücken, der Frau, die mit ihrem Körper den Zutritt zu Meister Nestors Haus versperrte, an die Kehle zu gehen. »Jede Stunde zählt.« Sie zog die mitgebrachte Flasche aus der Tasche, entkorkte sie.
    »Was soll dieser Unsinn? Was hast du vor mit dieser…«
    Agnes hob die Flasche und schüttete den Inhalt trotz der brutalen Kälte über ihrem Kopf aus. Die scharf riechende Flüssigkeit nässte nicht nur ihr Haar, sondern tränkte auch ihre Kleidung.
    Agnes warf die leere Flasche achtlos hinter sich in die Nacht. Sie schlug irgendwo dumpf auf.
    »Hast du den Verstand verloren?«
    »Im Gegenteil, ich war noch nie so klar.« Agnes holte die Schachtel mit Schwefelhölzern hervor, nahm eines heraus und drückte den Zündkopf gegen die Reibefläche. »Holt Ihr jetzt bitte Meister Nestor? Er wird sehen wollen, wie ich brenne. Oder es verhindern -falls ihm an mir liegt.«
    »An dir liegt?«
    »Ich zitiere ihn: ›Niemand ist entbehrlich. Jeder Verlust ist eine Tragödie und wirft uns zurück‹«
    Schritte klangen auf. Sie näherten sich aus dem Innern des Hauses der offenen Tür. In diesem Moment wurde Agnes klar, dass Meister Nestor alles mitangehört hatte.
    »Warum tust du das, Agnes, Kind?«
    »Weil Ihr mich dazu zwingt, Meister.«
    »Was redest du da für einen Unsinn? Niemand zwingt dich zu so etwas.«
    »Ich werde mich anzünden, Meister.«
    »Warum?«
    »Ihr wisst nicht, was es heißt, allein zu sein. Ganz allein.«
    »Du musst nicht allein sein. Du hast dich aus freien Stücken entschieden, die Menschen zu verlassen, die sich um dich kümmern wollten.«
    Menschen?, dachte Agnes. Wenn es Menschen wären - aber…
    »Ich bin gekommen, etwas von Euch zu fordern, Meister«, sagte sie rau.
    »Zu fordern?«, empörte sich Alma.
    »Ich verstehe«, sagte der Mann, der zwischen sie und Agnes getreten war. »Es ist keine Bitte, du glaubst dich berechtigt zu einer Forderung. Sprich es aus, dein Begehren.«
    Agnes holte tief Atem. Triefend vor Nässe stand sie da in der Eiseskälte. Das Petroleum brannte in ihren Augen. Sie würde sich eine Lungenentzündung holen, wenn sie nicht schleunigst ins Warme und in trockene Kleider kam.
    Es war ihr egal.
    Sie war entschlossen, das Schwefelholz zu zünden.
    Dann jedenfalls, wenn ihr ungewöhnliches Ansinnen bei Meister Nestor kein Gehör fand.
    Mit der Luft, die ihren Lungen fauchend entwich, sagte sie: »Gebt ihn mir zurück!«
    Meister Nestor starrte sie ungläubig an. Alma flüsterte im Hintergrund: »Sie ist wahnsinnig. Vollkommen wahnsinnig…«
    Agnes verstärkte den Druck auf den Zündkopf des Holzes. In diesem Moment vollzog sie in Gedanken bereits die Bewegung, die ihrem kümmerlichen Dasein ein qualvolles, aber unabwendbares Ende setzen würde.
    Doch in diesem Moment sagte Meister Nestor auch: »Ich werde darüber nachdenken - geh jetzt nach Hause. Wir sprechen morgen miteinander. Ich komme zu dir. Du brauchst dich nicht herzubemühen. Geh jetzt. Geh…«
    Agnes zögerte. »Wenn Ihr nein sagt, werde ich brennen«, drohte sie. »Ihr wisst, was das bedeutet.«
    Mit diesen Worten ließ sie Zündholz und Schachtel fallen und trottete gesenkten Hauptes nach Hause.
    »Sie ist wahnsinnig. Vollkommen wahnsinnig«, hörte sie Alma erneut hervorstoßen.
    Und Meister Nestor erwiderte: »Vielleicht…«
    ***
    Ein bisschen war ihm, als höre er ein-und dieselbe Geschichte zum wer

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