0718 - Das Dorf der Toten
obwohl sie sich nur selten sahen - sie verstanden einander und akzeptierten, dass jeder sein eigenes Berufsleben führte.
Und wenn sich Rachel Farnsworth nun Sorgen machte um den Verbleib ihres Mannes, dann waren diese wahrscheinlich berechtigt. Auch wenn sie nicht wirklich zugab, dass sie sich tatsächlich Sorgen machte.
»Ich wundere mich eben nur…«, sagte sie jetzt zum dritten oder vierten Mal und hob die Schultern in betont burschikoser Art. »Wahrscheinlich hat es nichts weiter zu bedeuten, dass Lance sich seit ein paar Tagen nicht gemeldet hat, aber…« Sie lächelte und griff wie vor Verlegenheit um weitere Worte nach ihrer Tasse.
»Vielleicht bekommt er mit seinem Handy ja einfach nur keine Verbindung«, meinte Nicole. »Könnte ich mir gut vorstellen in den Wäldern von Oregon…«
»Das ist es ja gerade«, erwiderte Rachel, die Tasse auf halbem Wege zwischen Tisch und Mund. »Das Ding ist so ein Hightech-Hochleistungsding, damit hat er mich sogar schon aus dem Himalaja angerufen! Ich wette, mit dem Apparat bekommt man sogar auf dem Mars ein Netz.«
»Aber das schließt ja nicht aus, dass das Gerät schlicht und ergreifend kaputtgegangen sein könnte, oder?«, übte sich Nicole weiter im Beruhigen.
Rachel nickte. »Ja - bei einem Unfall zum Beispiel.«
Zamorra versuchte, die Frau des Kryptozoologen ein wenig von der Schwarzseherei abzulenken, und fragte: »Dann weiß Lance also auch noch gar nicht, dass Teufelmans gestorben ist, hm?«
»Nein. Das wird ihn hart treffen, wenn er's erfährt. Richard war sein großes Vorbild. Und ein väterlicher Freund.«
»Zamorra und ich hatten vorhin auf dem Friedhof schon davon gesprochen«, sagte Nicole. »Wäre Lance nicht jemand, der Richard Teufelmans Stellung auf dem Fachgebiet der Kryptozoologie einnehmen könnte?«
Rachel winkte lächelnd ab. »Lance ist nicht zum Schreibtischtäter geboren. Den müsste man schon festketten, um ihn länger als ein paar Tage an einem Ort zu halten.«
»Wenn du möchtest und Zeit hast, kannst du übrigens gerne mit zu uns nach Hause kommen und dort übernachten oder auch ein paar Tage bleiben«, bot Nicole an, nicht nur höflichkeitshalber, sondern weil ihr Rachel Farnsworth immer eine angenehme Gesellschafterin gewesen war.
»Das würde ich gerne, aber ich muss heute abend noch zurück. Ich konnte auch nur zur Beerdigung kommen, weil ich gerade in Paris zu tun hatte und zufällig in der Zeitung gelesen habe, dass Richard gestorben ist.« Sie rang die Hände im Schoß wie ein Schulmädchen und sah in ihre halbleere Tasse, als gebe es dort etwas Interessantes zu sehen. »Na ja, und ein bisschen hatte ich auch gehofft, dass Lance vielleicht doch irgendwie von Richards Tod erfahren haben und auf schnellstem Wege hergekommen sein könnte, ohne an irgendwas oder irgendjemand anderes zu denken. Aber…« Wieder hob sie die Schultern und lächelte, als müsse sie um Verzeihung bitten, dass sie sich um ihren Mann sorgte.
Nicole legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. »Ich bin sicher, dass es für alles eine ganz harmlose Erklärung gibt. Mach dir nicht zuviel Sorgen, okay?«
»Das versuch ich ja, aber… Es ist eben ein Unterschied, ob man nur räumlich getrennt ist von dem Mann, den man liebt, oder ob man obendrein nicht weiß, wo genau er ist und wie es ihm geht.«
Zamorra registrierte, dass Rachel nicht gesagt hatte: »Und was er treibt.« Das wertete er als Zeichen dafür, dass sie nicht einmal unterbewusst annahm, er könnte auf amourösen Abwegen lustwandeln. Und das glaubte auch Zamorra nicht.
Ein gutes Gefühl hatte er allerdings auch nicht. Nicoles Zuversicht konnte er einfach nicht teilen, so gern er es auch, schon um Rachels und Lances willen, getan hätte…
Dass Lance Farnsworth sich nicht wie gewohnt bei seiner Frau gemeldet hatte, konnte - nun, vielleicht nicht die redensartlichen tausend Gründe haben, aber doch einige, und alle davon harmlos.
Ebenso gut konnte aber auch irgendetwas nicht ganz so Harmloses dahinterstecken. Auch wenn Zamorra nicht auf Anhieb hätte sagen können, was er sich unter diesem Irgendetwas konkret vorstellen sollte.
»Von wem hatte Lance dieses Luftbild aus Oregon?« Er stellte die Frage fast ohne es eigentlich zu wollen.
»Von Robert Goulden, wenn ich mich nicht irre«, antwortete Rachel. Sie überlegte kurz, nickte dann. »Ja, ich erinnere mich, dass Lance von Bob sprach. Das kann nur Bob Gaulden gewesen sein.«
»Kann man diesen Mister Goulden irgendwie erreichen,
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