0718 - Das Dorf der Toten
telefonisch, per Fax oder E-Mail?«
»Das habe ich schon getan«, sagte Rachel. »Er wusste auch nichts. Nur, dass Lance einen gebrauchten Isuzu Trooper gekauft hat und dann in Richtung Malheur National Forest losgezogen ist.«
Sie kramte in den Taschen ihres Trenchcoats. »Ich habe irgendwo einen Zettel, auf dem seine Telefonnummer im Amt steht… Ah, hier.« Sie reichte Zamorra ein Stück Papier. Er kritzelte die darauf notierte Nummer auf eine Serviette, die er dann einsteckte. Den Zettel gab er Rachel zurück.
»Willst du Goulden anrufen? Hast du…«, Rachel suchte nach dem passenden Wort, ohne es zu finden, und rettete sich in: »Na ja, eine böse Ahnung oder so was?«
Sie wusste, dass Zamorra nicht einfach nur Professor der Parapsychologie war, sondern sich auch praktisch mit diesem Thema und all seinen Randgebieten und -Verzweigungen auseinander setzte. Ob sie daran glaubte oder nicht, hatte sie nie gesagt, aber tolerant wie Rachel Farnsworth war, hatte sie sich auch nie abfällig oder auch nur spöttisch darüber geäußert.
Zamorra machte auf Optimismus. »Nein, nein, keine Angst. Ich hab auch weder das ›zweite Gesicht‹ noch eine Kristallkugel, die ich befragen könnte. Ich bin einfach nur verdammt neugierig, das ist alles. Und deshalb rufe ich diesen Bob Goulden vielleicht mal an. Könnte ja sein, dass er auch Fotos hat, die für mich interessant sein könnten.« Er zwinkerte Rachel zu.
»Ach ja? Und ich dachte immer, Geister lassen sich nicht fotografieren?«, ging sie auf seine Art ein, das Ganze locker zu nehmen ein.
»Nur kurz nach dem Aufstehen haben sie es nicht so gern - in dem Punkt sind sie so eitel wie Menschen.«
»Sind sie ja auch«, warf Nicole ein, »ich meine: waren sie zumindest mal -also Menschen.«
»Alle?«, fragte Rachel.
»Jeder anständige Geist zumindest, der was auf sich, seinen Namen und seine Zunft hält«, behauptete Zamorra.
Rachel Farnsworth sah auf die Uhr. »Oh, ich muss mich beeilen. Mein Flug nach Paris geht in einer Stunde.«
Zamorra bezahlte, Rachels Protest darüber ignorierend, und ließ von der Bedienung ein Taxi rufen. Draußen warteten sie mit der Modedesignerin, sagten ihr noch einmal, sie solle sich wegen Lance keine Sorgen machen und winkten ihr nach, bis das Taxi um die Ecke verschwand.
Dann machten sie sich im Nebelgrau, das sich allmählich zum Grau der Dämmerung verdichtete, zu Fuß auf zum nahen Stadtpark.
»Du machst dir Sorgen wegen Lance.« Nicole fragte nicht, sie stellte fest.
»Ich würde nicht ›Sorgen‹ sagen.«
»Sondern?«
Zamorra hob die Schultern. »Ich weiß es nicht.«
»Also doch - Sorgen.«
»Vielleicht liegt es nur an der blöden Stimmung, in die mich die Beerdigung gebracht hat.«
»Soll ich dich auf andere Gedanken bringen?«
»Später vielleicht…«
Im Stadtpark von Lyon suchten sie die versteckt blühenden Regenbogenblumen auf. Dann stellten sie sich beide ihr Ziel vor - die Regenbogenblumen im Keller von Château Montagne. Im nächsten Augenblick waren sie auch schon dort und traten zwischen den mannshohen Blütenkelchen hervor, die im Licht einer freischwebenden Mini-Sonne in allen Farben des Spektrums schimmerten.
Den weit verzweigten Kellergewölben entfleucht und im wohnlichen Bereich des Châteaus angelangt, zog sich Zamorra in den Nordturm zurück, wo sich sein Arbeitszimmer befand und darin wiederum die Terminals, die Zugriff auf das seit einiger Zeit noch leistungsfähigere Computersystem boten.
Zamorra wusste eigentlich gar nicht genau, wonach er suchte. So fütterte er die Datenbank mit ein paar Begriffen, die im Gespräch mit Rachel Farnsworth gefallen waren: Oregon zum Beispiel und Malheur National Forest. Dazu noch ein paar Worte, die ihm in dem Zusammenhang in den Sinn kamen und passend schienen - vermisst war eines davon, spurlos ein anderes.
Dann befahl er dem Computer, nach Querverbindungen, und mochten sie noch so vage sein, zwischen all diesen Suchbegriffen zu fahnden.
Was das System ihm daraufhin lieferte, war erstaunlich.
Und beunruhigend…
***
Frau Nestor öffnete die Tür auf Agnes' Klopfen hin. »Du?«, wunderte sie sich, ihre Augen wie Fenster zum Jenseits. »Was willst du?«
Frau Nestor hatte nicht geschlafen, natürlich nicht. Solche wie sie schliefen nie.
»Ich muss ihn sprechen«, sagte Agnes. »Sofort. Und lügt nicht, er sei nicht da.«
»Er ist da.«
»Dann lasst mich zu ihm.«
»Er hat es mir erzählt«, sagte Alma Nestor »Du warst drauf und dran, die Regeln zu
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