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0718 - Das Dorf der Toten

0718 - Das Dorf der Toten

Titel: 0718 - Das Dorf der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle und Timothy Stahl
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sich um. Agnes Brunner war bereits auf dem Weg zur Tür. Sie ging hölzern, fast wie in Trance. Und auch Farnsworth fühlte Benommenheit, hart an der Grenze zur Ohnmacht. Er verstand es nicht. Er vorstand nicht, was um ihn herum - was in ihm vorging.
    Die Frau war nicht dazu gekommen, ihm die Bedeutung des Denkmals draußen zu erklären, dessen Beschaffenheit immer noch an seinem Verstand fraß.
    Vielleicht, dachte er, während er zusah, wie Agnes den Türriegel zurückschob, habe ich nur Mutters Bild auf eine x-beliebige Frauenfigur projiziert…
    Weil ich nie über ihren Tod hinweggekommen bin? Weil sie mir heute noch fehlt? Ein Gedanke, der ihm gar nicht gefiel, drängte sich ich auf. Gibt es Fälle von Geisteskrankheit in meiner Familie…?
    Er schüttelte krampfhaft den Kopf. Hatte er sich alles nur eingebildet - das Phantom auf der Straße nach Elkhart ebenso wie das vermeintliche Denkmal für seine längst begrabene Mutter?
    »Miss Brunner! Halt, warten Sie…«
    Aber es war schon zu spät. Die Tür schwang auf. So heftig, dass die Hausherrin erschrocken einen Schritt zurücktrat.
    Der Mann, den Farnsworth schon am Fenster gesehen hatte, trat ein. Seine Kleidung war, wie auch die von Agnes, schlicht gearbeitet und ohne jeden Farbtupfer. Düster wirkte sie. Und Farnsworth wusste plötzlich, wo er Ähnliches schon einmal gesehen hatte - in Reportagen über die Amish-People. Auch die entsagten jeglichem technischen Fortschritt, wie es hier in Elkhart der Fall zu sein schien. Nur die Kopfbedeckungen fehlten. Und die seltsam anmutenden Bärte, ansonsten…
    Der Mann, der ohne Aufforderung eingetreten war, wirkte nicht wirklich alt. Er mochte in Farnsworth' Alter sein, um die Vierzig, keinesfalls darüber, auch wenn das Gesicht von großen Entbehrungen zeugte, die er in seinem Leben durchgemacht haben musste.
    Er ignorierte Farnsworth völlig, blieb bei Agnes stehen und redete eindringlieh auf sie ein. Die Frau antwortete zaghaft. Da sie deutsch sprachen, verstand Farnsworth so gut wie kein Wort.
    Dann - ebenso abrupt, wie er gekommen war - marschierte der Besucher wieder aus der Tür. Seine Schritte verklangen, als würde die Nacht ein Tuch darüber decken.
    Farnsworth löste sich aus seiner Erstarrung. An Agnes Brunner vorbei trat er zur Tür und spähte ins Freie.
    Der merkwürdige Mann war nirgends mehr zu sehen.
    Farnsworth schloss die Tür, wandte sich Agnes zu. »Wer war das? Was - hat er zu Ihnen gesagt? Ging es um mich?«
    Sie wich seinem forschenden Blick aus, wirkte völlig verschüchtert.
    »Er - einladen Sie, mein Herr.«
    »Er hat mich eingeladen?«, wiederholte Farnsworth verblüfft.
    »Zu teilen das Brot mit ihm. Ich - habe zu führen Sie…«
    »Und wer war er? Habe ich das richtig verstanden, Agnes, dass du ihn…«, Farnsworth wechselte wie selbstverständlich zur Vertrauteren Anrede, »…Meister genannt hast? Ist der verschrobene Knabe etwa euer Bürgermeister?«
    Agnes kniff die Lippen zusammen und wies zur Tür. »Wir gehen jetzt.«
    »Wohin?«
    »Zu Meister Nestor.«
    »Jetzt? Ich dachte, das hätte Zeit bis morgen - zum Frühstück passenderweise.«
    »Jetzt.« Agnes nickte bekümmert. Sie öffnete die Tür und tauchte in die Nacht.
    Farnsworth blieb gar nichts anderes übrig, als sich ihr anzuschließen. Trotz der dumpfen Vorahnung, dass es klüger gewesen wäre, sich in den Wagen zu setzen und mit Vollgas davonzufahren.
    Sie sollten nicht hier gekommen haben.
    Plötzlich brannte wieder der erste Satz, den er aus Agnes' Mund vernommen hatte, in seinem Bewusstsein. Aber er wäre sich wie ein kleiner Junge vorgekommen, wenn er dem dringenden Verlangen nach Flucht tatsächlich nachgegeben hätte.
    ***
    Meister Nestors Haus lag an der Hauptstraße in dem Bereich jenseits des großen Platzes, den Farnsworth noch nicht erkundet hatte. Der Verlängerung der Hauptstraße, die er heraufgekommen war.
    Er fragte sich, ob sein Wagen noch immer mit brennenden Scheinwerfern vor der Statue stand. Er fragte es sich, aber er wagte nicht zurückzublicken. Die Angst saß ihm wie ein Tier in der Kehle. Nicht noch einmal, dachte er. Nicht noch einmal das Ding sehen, das mir vorgaukelt, es sei Mutter.
    Auf dem Weg zu Meister Nestors Bleibe überkam ihn das Gefühl, dass das Tier namens Angst in seinem Hals Junge gebar. Und dass diese Jungen seine Speiseröhre hinab bis in den Bauch krochen. Wo sie auch nicht blieben, sondern Wege nach überallhin in seinem Körper fanden…
    Das Haus war nicht größer oder

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