0718 - Tango Fatal
noch gibt. »Fühlst du dich gut, John?«
»Vielleicht…«
»Dann müssen wir weitertanzen«, sagte sie leise. »Du sollst dich gut fühlen. Ich habe beschlossen, daß ich dich durch den Tanz glücklich machen werde.«
Diesmal prallten ihre Worte an mir ab. Zuviel hatte sich verändert. Es waren vor allen Dingen die Wände des Zimmers, die nicht mehr dieselben waren. Sie konnte ich mit einer Leinwand vergleichen, auf der sich einiges abspielte, was aber noch zu undeutlich war, um es genau erkennen zu können. Hier hatte eine fremde Kraft eingegriffen. Sie wollte vernichten oder verändern, aber eher vernichten.
Wir tanzten im Dunkeln. Der Lampenschein strahlte vor die gegenüberliegende Wand des Zimmers.
Sein Kreis stach scharf und klar wie der Vollmond am Himmel ab.
Wie ein Signal der Hoffnung…
Blitzschnell erfolgte die Drehung. Ich sah ihn nicht mehr, drehte ihm jetzt den Rücken zu, und dann tanzten wir mit wiegenden Bewegungen den Tango Fatal auf der Stelle.
Ramona hatte ihren Körper etwas in die Höhe geschoben, so daß ich in ihr Gesicht schauen konnte.
Ein dünner Schweißfilm schimmerte auf der Haut. Er selbst atmete den Parfümgeruch aus. Die Lippen glänzten noch lockender, dunkler und geheimnisvoller.
Für einen Moment stellte ich mir vor, daß aus diesem oberen Dunkel zwei lange, spitze Vampirzähne wachsen würden, um meinen Hals zu erwischen. Das trat nicht ein, ich hatte es nicht mit einer Blutsaugerin zu tun.
Noch wiegten wir uns, und wieder schmiegte sie sich so eng an mich, daß ich fast alles spürte.
Träge dehnten sich die Melodien. Eine Tangogeige schluchzte, als wollte sie weinen, dann unterbrach sie dieses Spiel, um in einen anderen Rhythmus zu verfallen.
Dem folgten wir.
Ich mußte mit, ich konnte nicht anders. Ich wurde gezogen und beinahe getragen. Ich schwebte über dem Boden. Die Wände des Zimmers bewegten sich.
Ich erwischte einen Blick auf den Toten unter der Decke. Auch dort schwangen Bilder um ihn herum. Gelang mir dort auch der Blick in eine andere Welt?
Es ging weiter.
Schneller, hastig.
Ich hörte ihr Atmen, ihr Stöhnen, meine Beine bewegten sich automatisch. Wenn sie jetzt nicht anhielt, würde ich mit dem Rücken gegen die Querwand prallen.
»Ja…!« rief sie - und ließ mich los.
Ich taumelte zurück. Wie ein skurriles Schattenbild glitt ich durch den Schein der Lampe.
Wieder ein Schritt, dann noch einer, und dann…
Ich stolperte, ich wollte mich drehen, aber da waren plötzlich zwei Pranken, die von hinten her beide Arme festhielten und mich so einklemmten, daß ich mich nicht bewegen konnte.
Doch eine Falle.
Und Ramona Sanchez stand vor, bewegte ihren Körper auf und ab und lachte wild…
***
Es hatte mich erwischt, sie hatten mich erwischt. Aber ich wußte nicht, wer mein Gegner war.
Ramona aber freute sich. Sie stand vor mir, sie bewegte ihren Oberkörper nach vorn, schwang auch die Arme dabei weit aus und richtete sich mit einer graziösen Bewegung wieder auf, um mir zu beweisen, daß sie noch da und auch in Form war.
Das Lachen hatte sie eingestellt. Jetzt starrte sie mich nur noch an und wohl auch auf die beiden Hände, die mich in Höhe der Ellenbogen umklammert hielten.
Ich drehte ebenfalls den Kopf.
Hände? Nein, das waren keine Hände, sondern übergroße, violett schimmernde Pranken, die einem Monster gehören mußten, das sich hinter mir aufhielt.
Aber da hatte ich keines gesehen. Aus dem Nichts war es auch nicht erschienen.
Aus der Wand?
Ich dachte an die verschwommenen und dennoch schrecklichen Szenen, die sich in der Wand abgespielt hatten. Deshalb wußte ich Bescheid. Was ich zuvor wie einen Film gesehen hatte, mußte sich nun materialisiert haben.
Ein Monstrum war da.
Es hatte auf mich gelauert und mich erwischt.
Bei all diesen Überlegungen waren nur mehr Sekunden vergangen, aber in dieser Zeit war mir einiges klargeworden. Dieses Haus barg ein Geheimnis, und es mußte mit der Familie Sanchez zu tun haben.
Noch rührte ich mich nicht, stand starr, konzentrierte mich auf den Griff.
Ramona ging zurück. Sie lachte nicht mehr, sie bewegte sich locker und sicher, so, als hätte sie gewonnen.
Dann hörte ich den Schrei.
Nicht direkt ein Schrei. Zuerst ein sattes tiefes Stöhnen, vermischt mit grunzenden Lauten. Ich erschrak nicht einmal, denn diese Geräusche kamen mir bekannt vor.
Ich hatte sie schon einmal gehört, als ich mit Gaston Lacre im Gang wartete.
Die Schreie vor der Bluttat, vor dem Mord, vor der
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