0718 - Tango Fatal
Vernichtung. Und nun war ich an der Reihe.
Wer immer die Person oder Unperson hinter mir in der Wand war, ich mußte sie als meinen Todfeind ansehen.
»Ja«, sagte Ramona dann, es klang wie ein Abschiedsgruß. »Das ist es dann wohl gewesen, John. Du hast dich nicht an die Regeln gehalten. Du bist zu neugierig gewesen. Du hast meinen Eltern nicht den nötigen Respekt erwiesen. Du bist nicht anders als viele Menschen. Du wolltest dieses Haus zerstören, aber glaube nur nicht, daß einem Menschen dies gelingt. Es ist auch den anderen nicht gelungen. Sie dachten, meine Eltern wären tot. Aber es stimmt nicht. Sie leben, wenn auch auf eine andere Art und Weise. Ich habe ihren Ruf gehört und bin ihm als treue Tochter gefolgt. Diese Schule wird neu eröffnet werden, damit die Zeit der Abrechnung beginnen kann. Mit ihm haben wir angefangen.« Sie hob dabei den Arm und zeigte gegen die Decke.
Daß diese Person voll in das Grauen integriert war, bewies der nächste Augenblick.
Bisher hatte sich der Tote nicht gerührt. Plötzlich bewegte er sich; zog die ausgestreckten Arme und Beine an, und dann fiel er.
Er krachte zu Boden und blieb liegen. Starr und steif. Ramona aber war zufrieden. Sie nickte dem Toten zu. »Auch er war ein Schuldiger am Tod meiner Eltern. Sie alle waren schuldig. Die ganze, verdammte Blase aus dem Dorf. Sie alle haben sich schuldig gemacht, wie auch du, Sinclair.«
Sie streckte mir dabei den Arm entgegen und befand sich auf dem Weg zur Tür. Ohne mich aus den Augen zu lassen, erreichte sie die Schwelle. Dort blieb sie für einen Moment stehen, lachte noch einmal scharf auf und war verschwunden. Die Tür knallte sie so heftig zu, daß es sich anhörte wie ein Schuß.
Für Ramona war ich bereits tot.
Doch da sollte sie sich irren!
***
Sich aufgeben, heißt verlieren!
Diesen Satz hatte ich mir immer und immer wieder eingeprägt. Ich dachte nicht daran, mich den Klauen des Monstrums zu überlassen, auch wenn es meine Arme noch so hart umklammert hielt.
Ich mußte etwas tun.
Und ich bewegte mich, denn meinen Körper konnte ich drehen, und auch meine Beine waren nicht eingeklemmt.
Zuerst trat ich mit dem rechten nach hinten, erwischte aber nur die Wand und spürte den Schmerz in der Hacke.
Beim Tritt mit dem linken Bein erging es mir nicht anders. Zudem dachte das Monstrum nicht daran, mich loszulassen. Es umklammerte mich nach wie vor wie mit eisernen Zangen, da half auch kein Rucken oder Drehen, die Klauen ließen mich nicht los.
Ich wuchtete mich nach vorn. Vielleicht zwei Zentimeter weit kam ich, dann erfolgte der Gegendruck, und hinter mir hörte ich abermals das widerlich klingende Schreien und Grunzen.
Laute, die in einem Raubtierstall geboren waren. Untermalt von einem Jaulen und Keuchen, wobei ich den Eindruck hatte, daß ein heißer Hauch über meinen Körper wehte.
Dann zerrte mich das Ding zurück.
So schnell und heftig, daß es keine Chance für einen Gegendruck gab. Ich mußte dieser verdammten Kraft folgen, die mich einfach nicht loslassen wollte.
Da spürte ich die Wand. Sie war nicht weich oder aufgelöst, sondern normal hart, aber in ihrem Innern befand sich eine Kraft, die mich an das Saugen der Hölle erinnerte.
Sie wollte mich haben, sie wollte mich in dieses verfluchte Haus integrieren.
Die rechte Klaue ließ mich los, um einen Moment später zusammen mit ihrem Arm meine Kehle zu umklammern.
Das war für meinen Gegner endgültig.
Nicht für mich.
Es gab mir eine Chance. Und wie von selbst rutschte meine Hand in die rechte Tasche, wo ich mein Kreuz aufbewahrte. In sekundenschnelle bewegte ich mich, während ich Schmerzen an der Kehle spürte und die Klauen dort kleine Löcher in die dünne Haut rissen.
Ich riß den rechten Arm hoch, führte das Kreuz an meinen Hals und gegen die Pranke.
Ein fürchterlicher Laut entstand hinter mir. Er war kaum zu beschreiben, er glich einem Urschrei, in den sich ein heftiges Poltern und Kratzen vermengte.
Ich hatte ihn erwischt.
Voll erwischt.
Schwungvoll taumelte ich nach vorn, stolperte dabei über meine eigenen Beine, hielt mich aber auf den Füßen und drehte mich dann mit einer hastigen Bewegung um.
Noch immer hielt ich das Kreuz fest und sah auch, was es angerichtet hatte.
Diesmal leuchtete das Lampenlicht genau in die exakte Richtung. Ich bekam mit, was sich in der Mauer abspielte, und es war das kalte Entsetzen, das den anderen gepackt haben mußte.
Ob Geist oder Mensch, was immer da lauerte, es hatte den Angriff
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