0719 - Myxins Henker
Fuhre, dann haben wir Wochenende.«
»Weiß ich.«
»Na und? Da kannst du doch rumturnen.«
»Bei mir nicht. Ich soll was anstreichen.«
»Sagt das dein Weib?«
»Wer sonst?«
Garlett lachte. »Das ist eben der Fluch der Heirat. Mir redet keiner rein. Ich hab' auch keine gefunden, die einen Leichenwäscher heiraten will. Die meisten haben mir gesagt, ich würde immer nach Verwesung stinken, obwohl das Quatsch ist.«
»Das sagt Kitty auch.«
»Dann laß sie doch mal allein!«
Raff Soones hob die Schultern. »Kann ich auch nicht. Na ja, irgendwie bringe ich das schon wieder in die Reihe.«
Über den primitiven Sarg hinweg reichte Garlett seinem Kollegen die Ginflasche. Spencer war am gesamten Körper stark behaart. Selbst auf seinem Handrücken wuchs die graue Wolle.
Soones trank. Mit einem dankbaren Nicken reichte er die große Flasche zurück. Danach klopfte er auf den Sargdeckel. »Was mit dem wohl passiert ist?«
»Blutsturz!«
»Nicht nur das.«
Spencer winkte ab. »Hör doch auf, Mann. Was interessiert es uns denn? Laß uns lieber an das Wochenende denken.« Er drehte den Kopf und schaute durch den hellen Spalt in der ansonsten dunklen Scheibe. »Hoffentlich hält sich das Wetter.«
Soones hob nur die Schultern. Es war ihm egal, ob es regnete oder nicht. Er mußte sowieso anstreichen.
An einer Ampel stoppte der Wagen. Vorn im Fahrerhaus sang Ed einen Hit. Er war guter Laune, und an die Fracht, die er immer transportieren mußte, dachte er längst nicht mehr.
Soones hatte sich zurückgelehnt und hing seinen Gedanken nach. Auch Spencer machte kein sehr intelligentes Gesicht. Er starrte auf die noch halbvolle Ginflasche, die er mit beiden Händen festhielt wie einen besonderen Schatz.
Soones hörte das Geräusch.
Er schrak zusammen, setzte sich starr hin.
Spencer hatte etwas bemerkt und blinzelte ihm zu. »Was ist denn? Du siehst aus, als hättest du in die Hose gemacht und wärst noch nicht fertig.«
»Ach hör auf.«
»Sag schon.«
»Hast du das nicht gehört?« flüsterte Soones.
»Nee - was?«
»Das Geräusch. Es… es klang so, als hätte sich jemand gekratzt oder sich aufgebläht oder geschabt…«
»Bist du irre?«
»Nein, Spencer, nein! Und das verdammte Geräusch ist aus dem Sarg gedrungen.«
Jetzt sagte Spencer nichts mehr. Er glotzte gegen den Deckel, schüttelte dann den Kopf und tippte sich selbst gegen die Stirn. Mit dieser Geste war sein Kollege gemeint.
»Das stimmt aber.«
»Aus dem Sarg?«
»Klar.«
»Von dem Toten?«
»Auch das!«
»Aber Tote sind tot. Du hast den doch selbst gesehen. Da war nichts mehr daran zu machen. Der hat den Löffel abgegeben.«
»Ich habe es aber gehört, verdammt!«
Spencer nahm zunächst einen Schluck, bevor er sich dem Sarg entgegenbeugte. Die Flasche stellte er weg, hielt eine Hand neben dem Ohr und tat so, als wollte er lauschen.
Natürlich bekamen sie auch die Fahrgeräusche des Wagens mit, die andere allerdings überlagerten.
Aus dem Sarg mußte schon ein sehr lautes Geräusch dringen, um gehört zu werden.
»Ich höre nichts.«
»Und ich habe mich nicht geirrt.«
Spencer Garlett grinste. »Dann steht also Aussage gegen Aussage. Und was macht man in solch einem Fall?«
»Keine Ahnung.«
»Man überzeugt sich.«
»Das ist dir nicht gelungen.«
»Du verstehst mich nicht, Freund. Man überzeugt sich eben anders. Man packt den Deckel und hebt ihn ab. Das ist alles. Wir müssen nachschauen, wer recht hat.«
Raff Soones verzog angewidert das Gesicht. »Du willst dir noch mal den Körper anschauen?«
»Nicht unbedingt. Nur wenn du nach wie vor auf deiner komischen Meinung beharrst.«
Soones dachte nach. Eigentlich war es ja Quatsch, aber er hatte tatsächlich etwas gehört. Außerdem, wollte er es seinem Kollegen beweisen, um nicht als Spinner zu gelten.
»Ja, tu es!«
»Echt?«
»Mach schon, verdammt!«
Soones schluckte. Komisch war ihm schon zumute. Jetzt hatte er immer wieder mit Leichen zu tun gehabt, hatte sie gewaschen, hatte sie eingesargt, sie waren praktisch seine Begleiter auf dem beruflichen Weg, und plötzlich war ihm das alles zuviel. Da zögerte er, aber nicht nur das. Er verspürte auch eine gewisse Angst und malte sich alles mögliche aus, was da im Sarg liegen könnte.
Ein Monstrum, eine Schlange, ein Wesen mit langen Zähnen und messerspitzen Krallen. Etwas Furchtbares, wie er es noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte.
Eine kalte Hand kroch über seinen Rücken. Er hatte sich bereits vorgebeugt,
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