0719 - Sargasso-Tod
gewesen, einen Flieger nach Teneriffa zu buchen.
Tausende von sonnenhungrigen Franzosen wurden durch das trübe Frühwinter-Klima in den sonnigen Süden getrieben. Selbst jene Touristen, die vorzugsweise im eigenen Land, an der Cote d'Azur und in St. Tropez Urlaub machten, gaben sich plötzlich mit Südfrankreich nicht mehr zufrieden.
Aber Nicole Duval war clever genug, auch in solchen Stresszeiten noch Mittel und Wege zu finden. Jedenfalls hatte sie wenige Stunden nach dem Gespräch mit Zamorra zwei Tickets geordert.
Als die beiden Dämonenjäger in Lyon die Iberia-Maschine bestiegen, zerrte ihnen ein eiskalter Wind an Jacken und Hosen. Doch in Teneriffa wurden sie von strahlendem Sonnenschein empfangen.
»Das lasse ich mir gefallen«, schmunzelte Nicole Duval. »Warum können sich die Schwarzblütigen nicht immer in solchen angenehmen Weltgegenden verkriechen?«
»Noch wissen wir nicht, ob überhaupt ein Dämon im Spiel ist«, schränkte Zamorra ein.
Teneriffa war schön, aber hoffnungslos überlaufen. Die Touristenscharen traten sich unter den Dattelpalmen der breiten Strandboulevards und zwischen den Hotel-Bettenburgen gegenseitig auf die Füße.
Zamorra und Nicole blieben nur solange, bis die nächste Fähre nach El Hierro im Hafen ablegte.
Als sie an Bord waren, seufzte Nicole wohlig. Sie legte ihren Kopf an Zamorras Schulter.
»Vielleicht lauert ja wirklich keine dämonische Gefahr auf diesem Eiland, Cheri. Was machen wir dann?«
»Urlaub«, gab Zamorra lakonisch zurück.
Nicole verzog das Gesicht.
»Wäre das so schlimm, Nici?«
»Schlimm nicht direkt. Aber es kommt mir so vor, als würden wir nur einen Vorwand für ein paar Tage in der Sonne suchen.«
»Dabei hätten wir einen solchen Vorwand gar nicht nötig«, gab Zamorra zurück. »Es war ein hartes Jahr für uns, mit all diesen Verwirrungen durch die Spiegelwelt. Von unseren anderen Erlebnissen einmal ganz abgesehen.«
»Da hast du auch wieder Recht.«
El Hierro ragte wie ein steiler Felsen aus dem Meer. Die Fähre legte in Valverde an, dem Hauptort der kleinen Insel. Zamorra und Nicole gingen von Bord. Außer ihnen interessierten sich nur wenige Fremde für dieses kleine Eiland. Die meisten Passagiere waren offenbar Einheimische, die für größere Einkäufe nach Teneriffa gefahren waren. Manche von ihnen schleppten Satellitenschüsseln oder größere Haushaltsgeräte auf dem Rücken über die Gangway.
Die beiden Dämonenjäger hatten natürlich nur leichtes Reisegepäck dabei. Nicole Duval warf ihrem Lebensgefährten und Chef einen fragenden Blick zu, als sie auf einer kleinen Plaza unweit der Anlegestelle verharrten.
»Und was machen wir jetzt?«
»Wir suchen die Inselzeitung , Nici.«
»Meinst du so etwas wie diese Mallorca-Gazetten in allen möglichen und unmöglichen europäischen Sprachen?«
»Nicht direkt. Ich dachte eher an einen lebendigen Menschen auf zwei Beinen, der selbst die kleinsten und unwichtigsten Informationen über die Insel kennt. Im Zweifelsfall deshalb, weil er sie selbst erfunden hat.«
»Eine Tratschtante also«, brachte es Nicole auf den Punkt.
Die Dämonenjäger mussten nicht lange suchen. In einem Café gegenüber der Dorfkirche bediente eine Matrone, die so alt zu sein schien wie das Gotteshaus selbst. Und die Kirche stammte schätzungsweise aus dem 18. Jahrhundert.
Das schneeweiße Haar der Greisin war straff zurückgekämmt und zu einem Knoten geformt. Sie trug ein schwarzes Kleid mit einer weißen Schürze darüber.
Und die Neugier stand ihr in ihren dunkelbraunen Augen geschrieben.
»Ein schönes Schmuckstück haben Sie da, Senor«, krächzte die Alte. Sie warf einen interessierten Blick auf Merlins Stern. Der Dämonenjäger trug sein Amulett wie immer an einem silbernen Kettchen, unter dem offenen Hemd gut sichtbar. »Mein Cousin José hatte auch so eins, bis er es Anno 1951 verkauft hat. Mit dem Geld ist er von unserer Insel aus nach Amerika ausgewandert, der Tropf. Dort hat ihn dann ein Blitz getroffen. Mit den Mächten des Schicksals darf man eben nicht spielen.«
Sie funkelte Zamorra an, als ob er das Gegenteil behauptet hätte.
Der Parapsychologe lächelte ihr freundlich zu und bestellte zwei Café con leche. [1] Er fragte sich, was für ein Amulett dieser Cousin wohl besessen hatte.
»Aber Sie sind auf El Hierro geblieben, Señora, nicht wahr?«, fügte er hinzu.
»Und ob!« Stolz reckte die Matrone ihr Doppelkinn Richtung Himmel. »Ich bin hier geboren und ich werde hier sterben.
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