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0719 - Sargasso-Tod

0719 - Sargasso-Tod

Titel: 0719 - Sargasso-Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Clement
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Und zwar, ohne jemals mein El Hierro verlassen zu haben!«
    »Dann kennen Sie sich gewiss gut aus auf der Insel?«
    Nicole Duval schaltete sich in das Gespräch ein. Sie bewunderte Zamorras Instinkt, auf Anhieb die passende Inselzeitung zu finden. Diese Greisin war jedenfalls eine viel versprechende Kandidatin.
    »Kann man sagen!«
    Die alte Frau zog sich einen Stuhl heran und nahm an Zamorras und Nicoles Tisch Platz. Dann stieß sie einen gellenden Pfiff aus. Ein magerer Junge mit wirrem Haarschopf kam aus der Küche geschossen. Die Greisin hob zwei von ihren knotigen Fingern in die Höhe und brüllte ein paar Sätze in einem völlig unverständlichen Dialekt. Der Junge dienerte und verschwand wieder. Bald darauf schleppte er zwei große Tassen mit Café con Leche herbei.
    Die Greisin zündete sich eine Zigarette der spanischen Marke 46 an. Nicole rümpfte die Nase.
    »Bei unserem frischen Seeklima schadet Tabak nicht!«, behauptete die Alte und blies der Dämonenjägerin eine Qualmwolke entgegen. »El Hierro ist der schönste Platz der Welt!«
    Nicole hatte etliche herrliche Orte gesehen, und zwar auf den verschiedensten Welten. Aber das würde sie der Greisin nicht auf die Nase binden.
    »Und doch gibt es auf dieser schönen Insel hässliche Verbrechen…«, meldete sich Zamorra wieder zu Wort. »Der Mord an diesen beiden Touristen, zum Beispiel.«
    Die betagte Kellnerin hätte fast ihre Zigarette ausgespuckt.
    »Sind Sie deshalb hier, Señor? Kommen Sie am Ende gar von der verdam… äh… von der Zentralregierung in Madrid?«
    Zamorra wiegelte ab.
    »Wir sind ganz normale Touristen, die Stille und Erholung suchen. Die Geschichte mit den Morden habe ich nur aufgeschnappt. Ich bin eben neugierig.«
    Damit gab sich die Alte zufrieden. Für Neugier schien sie vollstes Verständnis zu haben.
    »Aber Sie haben gewiss nicht alles über diese schreckliche Bluttat gehört«, mutmaßte die Greisin genüsslich.
    »Sie werden es uns bestimmt verraten.«
    Nicole schaute der Einheimischen direkt in das runzlige Gesicht. Es machte der Alten offenbar eine diebische Freude, die fremden Gäste ein wenig auf die Folter zu spannen.
    »Warum sollte ich das tun?«
    »Weil Sie gerne Geschichten erzählen«, sagte die Dämonenjägerin der Greisin auf den Kopf zu.
    Die Frau in dem schwarzen Kleid bleckte ihre gelben Zahnstummel. Sie blinzelte Nicole vertraulich an.
    »Da haben Sie Recht, Señorita. Ich erzähle gerne Geschichten. Besonders, wenn ich nicht auf dem Trockenen sitzen muss…«
    Zamorra verstand den Wink mit dem Zaunpfahl sofort.
    »Ich lade Sie ein, Señora. Was trinken Sie?«
    An Stelle einer Antwort ertönte abermals ein gellender Pfiff. Wieder steckte der magere Junge seinen Kopf aus der Küchentür. Die Greisin äußerte ihren Wunsch in dem unverständlichen Inseldialekt.
    Gleich darauf landete jedenfalls ein dreistöckiges Glas mit spanischem Brandy vor ihrer Nase. Die Señora kippte sich gleich die Hälfte davon hinter die Binde.
    »Ah, das tut gut. - Ich hätte diesem jungen Paar prophezeien können, dass diese Zelttour böse ausgehen würde.«
    »Wieso?«
    Zamorra beugte sich gespannt vor.
    »Weil es an dieser Bucht nicht geheuer ist!«
    Für einen Moment senkte sich Stille auf das schäbige Café, in dem Zamorra und Nicole momentan die einzigen Gäste waren.
    Die Greisin genoss es, ihre Zuhörer einstweilen sprachlos gemacht zu haben.
    »Wieso ist es dort nicht geheuer, Señora?«, fragte Zamorra endlich.
    »Oh, so genau weiß ich das auch nicht. Heutzutage glauben ja viele Menschen nicht mehr an die überlieferten Weisheiten.«
    »Was für Weisheiten meinen Sie?«
    »Ich denke zum Beispiel an den Bösen Blick. Und wie man sich davor schützt.« Die Greisin warf einen viel sagenden Blick auf Zamorras Amulett. »Oder an Plätze, die verflucht sind.«
    »Und diese Bucht ist so ein Platz?«
    »Kann sein. Auf jeden Fall macht jeder Einheimische einen großen Bogen um diesen Strand. Vor allem bei Nacht.«
    »Warum?«
    Die Greisin schwieg einen Moment. Nachdenklich schaute sie dem Zigarettenrauch nach, der aus ihren Nasenlöchern drang.
    »In alter Zeit, lange bevor El Hierro spanisch war - ach was, bevor es das Königreich Spanien überhaupt gab - soll ein anderes Land westlich von hier im Atlantik gelegen haben.«
    Nicole konnte sich ein ironisches Lächeln nicht verkneifen. Gleich würde es um Atlantis gehen. Atlantis, der versunkene Kontinent, Atlantis, das sagenumwobene Inselreich, ein blühende Kultur, durch eine

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