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072 - Das Horror Palais von Wien

072 - Das Horror Palais von Wien

Titel: 072 - Das Horror Palais von Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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warf sich den bewußtlosen und gefesselten
Agenten über die Schultern und trug ihm zum entgegengesetzten Ende des
Korridors. Hier passierte er eine Tür in den Querbau, der auf der Ostseite des
Hofes stand. Unter den Fensterreihen dieses Flügels lag das langgezogene Schutzdach,
unter dem die beiden verwitterten und rostigen Kutschen standen. Dann änderte
Rakow mit seiner Last noch mal die Richtung, ging wieder nach links und
gelangte auf diese Weise in den Nordbau des Palais. Noch mal fünfzig Schritte,
dann erreichte er den Korridor, in dem sich der fensterlose Raum befand. Mit
dem Fuß stieß Rakow die Tür auf. Schon von weitem sah er, daß das Licht im
Glaskolben der Öllampe bis zu einer winzigen Flamme herabgesunken war, die
jeden Augenblick erlöschen konnte. Iwan Kunaritschew lag unverändert auf der
Bahre und starrte den Gegner haßerfüllt an. Kunaritschews sorgenvoller
Gesichtsausdruck verstärkte sich, als er erkannte, wen Rakow da anschleppte.
    »Ich
bring’ dir einen Kollegen, Kunaritschew«, strahlte der Rächer. »Ob es eine unterhaltsame
Party in deinem Sinn gibt, bezweifle ich allerdings. Er ist nicht sehr
gesprächig…« Während er redete, warf er den gefesselten Pörtscher auf die
Pritsche, die in der Nische hinter Kunaritschews Kopfende lag, so daß X-RAY-7
nicht mitbekam, was sich im einzelnen dort abspielte. An den Geräuschen jedoch
glaubte er zu erkennen, daß Rakow den Schweizer ebenfalls an der Pritsche
anband. Dann kam der Mörder noch mal an Kunaritschews Seite und überprüfte den
Sitz der Fesseln.
    »Gute
Arbeit«, sagte Rakow zufrieden. Gleichzeitig gewahrte er die Blutlache, die
sich neben der Pritsche gebildet hatte.
    »Wie
ich sehe«, fuhr Rakow fort, »geht der Spuk schon los. Die Geister der
Vergangenheit machen sich bereits bemerkbar. Wenn die Dunkelheit einbricht,
geben sie sich hier ein Stelldichein, da ist es egal, ob es draußen Tag oder
Nacht ist. Hier in diesen Räumen herrscht immer Nacht, und die Nacht war stets
das Metier der Gräfin von Cernay, die, wie man gerüchteweise verbreitete, vom
Teufel selbst ein Kind empfing. Dieses Kind war Paul Graf von Cernay!«
     
    ●
     
    Kaum
war Rakow außer Sicht, arbeitete Kunaritschew verbissen an der Lockerung seiner
Fesseln weiter. Er versuchte, die Nylonschnüre weiter abwärts zu schieben, in
Richtung der Knöchel. Millimeterweise gelang es ihm. Aber es reichte noch
nicht, um durch einen scharfen Druck auf den Absatz seines linken Schuhs das
Sprungmesser herausschnellen zu lassen, das dort eingebaut war und mit dem sich
manche Befreiungsaktion leichter durchführen ließ, wenn man es richtig ansetzte.
Da erlosch die Flamme. Es wurde stockfinster. Doch so blieb es nicht.
    Ein
geisterhaft grüner Schein, von dem Iwan nicht wußte, woher er kam, breitete
sich ringsum aus. Er durchsetzte die Luft, ließ den langen Tisch und die
Relikte dort erkennbar werden und die Wände, die Bogengewölbe und Säulen
seltsam aufglühen. Dann tauchte der Schatten auf. Die große Frau mit dem
hochgesteckten Haar und dem hauchdünnen, durchscheinenden Gewand stand
unvermittelt vor dem langen Tisch. Das Gespenst war da! Aber es kamen noch
mehr…
    Ein
Wispern und Raunen war zu hören, schien sphärengleich aus den Wänden und Decken
zu kommen.
    »Du
mußt mir helfen, Mutter!« schrie es durch die Geisteratmosphäre, und Iwan
Kunaritschew fuhr zusammen wie unter einer kalten Dusche. »Ich will sie
wiederhaben… sie ist tot… mach sie wieder lebendig.« Aus dem zwielichtigen
Geisterschein rannte eine dunkle Gestalt herbei, die auf den Armen einen schlaffen, weißen Körper trug, den Körper einer
jungen Frau. Iwan hielt den Atem an, als wolle er verhindern, daß man auf ihn
aufmerksam wurde. Aber es war der Bann, in den die ablaufenden Ereignisse ihn
gezogen hatten und die ihn den Atem stocken ließen. Die Gestalten nahmen
deutlichere Konturen an. Die junge Frau auf den Armen trug ein Ballkleid, besetzt
mit Rüschen und Pailletten, die in dem grünen Geisterlicht schimmerten und
funkelten. Das Kleid war tief ausgeschnitten. Getragen wurde es von einer
schwarzhaarigen Schönheit, deren langes Haar in Schillerlocken gelegt war. Das
hübsche Gesicht wirkte still und blaß. Die Augen waren geschlossen, und die
langen seidigen Wimpern zitterten leicht wie die Flügel eines Schmetterlings.
Die Frau hatte die Rasse einer Zigeunerin. Ihr Gesicht strahlte eine
Faszination aus, daß man das Gefühl hatte, sie immer wieder ansehen zu

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