072 - Der unheimliche Mönch
Die Türen waren verschlossen und verriegelt, und keines der Fenster war erbrochen.
Goodman mußte einen guten Schlaf haben, denn er hatte nichts gehört, allerdings wohnte er in einem anderen Flügel des Gebäudes. Mrs. Elvery war aufgeregt und suchte den Polizeibeamten alle möglichen Theorien vorzutragen, die sie sich sofort gebildet hatte, aber sie konnte auch nichts Wichtiges aussagen.
„Fane - wer ist denn nur Fane?" fragte Hallick.
Cotton berichtete ausführlich über den neuen Gast und die genauen Umstände, unter denen er ins Haus gekommen war.
„Ich werde später mit ihm sprechen. Haben Sie sonst noch einen andern Gast hier?" fragte er und sah das Fremdenbuch ein.
„Der neue Gast kommt erst morgen, es ist ein Pfarrer", erwiderte der Butler.
Hallick sah Cotton scharf an.
„Habe ich Sie nicht schon früher einmal gesehen?"
„Nein, mich nicht", entgegnete Cotton, aber seine Stimme klang nervös.
„Hm", brummte Hallick. „Das wäre im Moment alles. Ich will jetzt Miss Redmayne sprechen."
Goodman, der ebenfalls in der Halle war, wandte sich an den Chefinspektor.
„Ich hoffe, daß Sie Miss Redmayne nicht zu sehr beunruhigen. Sie ist wirklich ein äußerst gutmütiges, liebes Mädchen - ich habe sie gern, und wenn ich jünger wäre..." Er lächelte. „Sie sehen, selbst Kaufleute können romantisch sein."
„Kriminalbeamte ebenfalls", bemerkte Hallick trocken.
Er sah Goodman interessiert an. Dieser Mann hatte ihm ein Geständnis gemacht, das er nicht erwartet hatte. Goodman liebte also das junge Mädchen und hatte wahrscheinlich die Tatsache vor allen anderen Leuten geheimgehalten.
„Sie glauben wohl, daß ich sentimental bin -"
Hallick schüttelte den Kopf.
„Daß Sie verliebt sind, ist kein Verbrechen, Mr. Goodman", sagte er ruhig.
„Das denke ich auch. Torheit ist kein Verbrechen, aber sie kommt mit dem Alter."
Goodman ging zur Tür, durch die Mary kommen mußte, aber Hallick hielt ihn zurück. Gehorsam verließ er, obwohl er hier ein bevorzugter Gast war, den Raum durch eine andere Tür.
Mary hatte schon erwartet, daß man sie rufen würde. Sie war niedergeschlagen und fürchtete sich, als einer der Polizeibeamten sie in die Halle rief. Sie hatte den Chefinspektor noch nicht gesehen und war angenehm enttäuscht, da sie einen vierschrötigen Polizeibeamten erwartet hatte und einen liebenswürdigen, freundlich lächelnden Herrn vorfand. Als sie eintrat, sprach er gerade mit Cotton und nahm eine Weile keine Notiz von ihr.
„Haben Sie wirklich keine Ahnung, wie dieser Mann ins Haus gekommen sein kann?"
„Nein", entgegnete Cotton.
„Es war kein Fenster erbrochen? - Und die Haustür war verschlossen und verriegelt?"
Der Butler nickte.
„Ich habe ihn nicht hereingelassen", sagte er laut.
Hallick kniff die Augen zusammen.
„Das haben Sie nun schon zweimal gesagt. Als ich Sie heute morgen fragte, haben Sie genau dieselben Worte gebraucht. Außerdem haben Sie mir erzählt, daß Sie an Mr. Fanes Zimmer vorbeikamen, daß die Tür offenstand und sein Zimmer leer war."
Cotton nickte.
„Ferner habe ich hier notiert, daß der Mann, der die Polizei benachrichtigte, sich als Mr. Cotton ausgab, daß Sie es aber nicht gewesen wären."
„Das stimmt alles ganz genau."
Jetzt erst sah der Chefinspektor, daß sich Miss Redmayne im Zimmer befand, und er gab Cotton ein Zeichen, daß er hinausgehen sollte.
„Also, Miss Redmayne, Sie haben diesen Mann vorher nicht gesehen?"
„Doch, aber nur einen Moment."
„Haben Sie ihn wiedererkannt?"
Sie nickte.
Hallick sah auf den Fußboden und überlegte.
„Wo ist Ihr Schlafzimmer?"
„Direkt über der Eingangshalle." Sie sah, daß einer der Beamten alles protokollierte, was sie aussagte.
„Sie müssen aber etwas gehört haben. Unten hat irgendein Kampf stattgefunden - das müssen Sie doch bemerkt haben - haben Sie einen Schrei gehört?" Als sie den Kopf schüttelte, fragte er: „Wissen Sie, um welche Zeit der Mord geschehen ist?"
„Mein Vater sagt, es muß ein Uhr gewesen sein."
„Lagen Sie zu der Zeit im Bett? Wo war Ihr Vater - etwa hier in der Nähe der Eingangshalle?" „Nein", erwiderte sie mit Nachdruck.
„Warum sind Sie so sicher in diesem Fall?" fragte er interessiert.
„Als ich hörte, wie die Tür geschlossen wurde -"
„Was für eine Tür?"
Sie geriet durch seine Zwischenfrage in Verwirrung.
„Diese Tür." Sie zeigte auf den Eingang zur Halle. „Als sie geschlossen wurde, habe ich über das Geländer gesehen und
Weitere Kostenlose Bücher