072 - Der unheimliche Mönch
vollkommen mit Efeu bewachsen war. Wie der Verbrecher, der den Schuß abfeuerte, entkommen konnte, war ein Geheimnis für sich. Hallick hielt es nicht für ausgeschlossen, daß eine dieser großen Steinplatten, die unter den Brombeer- und Weißdornbüschen verborgen waren, vielleicht den Eingang zu einem unterirdischen Gang verdeckte.
Er sprach auch mit einem der Inspektoren von Scotland Yard darüber, der zu einer kurzen Unterredung in sein Büro kam. Es war der bekannte Inspektor Elk, der nichts von der Sache wissen wollte.
„Was reden Sie da von unterirdischen Gängen? Das ist doch immer das letzte Verlegenheitsmittel. Wenn der Verfasser eines Kriminalromans nicht weiter weiß, verfällt er auf derartigen Unsinn. Unterirdische Gänge und Geheimtüren in der Wandverkleidung! Einfach lächerlich!"
„Ich möchte die Möglichkeit nicht vollkommen ausschließen", entgegnete Hallick ruhig. „Monkshall ist eins der ältesten bewohnten Häuser in England. Ich habe mir in der Bibliothek die Literatur besorgt. Einige Nachrichten stammen aus der Zeit der Königin Elisabeth I."
Elk stöhnte.
„Ausgerechnet wieder diese Frau! Es gibt nichts, was nicht zu ihren Tagen existiert hätte!"
Inspektor Elk hatte einen ganz besonderen Grund, auf Königin Elisabeth I. böse zu sein, denn bei einem früheren Examen war er durchgefallen, weil er die Daten ihrer Regierung nicht genau wußte.
„Selbstverständlich gab es damals Geheimtüren, unterirdische Gänge und all solchen Kram!" meinte er verdrießlich.
Chefinspektor Hallick kam plötzlich ein Gedanke.
„Setzen Sie sich doch, Elk. Ich muß Sie etwas fragen."
„Wenn es sich um Geschichtszahlen handelt, dann sparen Sie sich die Mühe. Ich weiß von der Königin Elisabeth I. nur -"
„Haben Sie jemals O'Shea gesehen?"
„Den Bankräuber? Nein, ich bin nie mit ihm in Berührung gekommen. Soviel ich weiß, ist er jetzt in Amerika. Oder sind Sie anderer Meinung?"
„Ich glaube, er ist in England", erwiderte Hallick, aber Elk schüttelte den Kopf.
„Das möchte ich bezweifeln. Es ist doch gar kein Grund vorhanden, warum er in England sein sollte. In den letzten Jahren hat er sich vollkommen ruhig verhalten, und ein Mann, der so viel Geld zusammengebracht hat wie er, kann es sich auch leisten, sich zur Ruhe zu setzen. Gewöhnlich trägt ein Verbrecher, der große Beute gemacht hat, das Geld zum nächsten Spielklub und hat nicht eher Ruhe, als bis er den letzten Schilling verloren hat. Und da O'Shea doch nicht ganz richtig im Kopf ist -"
„Woher wissen Sie denn das?" fragte Hallick neugierig.
„O'Shea ist erblich mit Wahnsinn belastet. Das ist eine der Tatsachen, die seinerzeit bei der Verhandlung nicht erwähnt wurden."
„Ich habe nichts davon gewußt, bis ich Connor im Gefängnis ausfragte, und ich kann mich auch nicht besinnen, daß ich es jemals in den Akten vermerkt habe", meinte Hallick. „Wie haben Sie denn das erfahren?"
„Vor vielen Jahren habe ich mich einmal mit dem Fall beschäftigt. Wir konnten O'Shea selbst nicht fangen und auch keine Einzelheiten über ihn erfahren, nur ein paar Schriftstücke fand man, die von seiner Hand stammten. Das war in den Tagen vor dem letzten großen Goldraub, bevor Sie die Aufklärung des Falles übernahmen. Da ich damals weder sein Bild noch seine Fingerabdrücke zur Verfügung hatte, stellte ich Nachforschungen über seine Familie an. Sein Vater starb in einer Irrenanstalt, seine Schwester verübte Selbstmord. Sein Großvater hatte einen Mord begangen und starb während der Untersuchungshaft. Ich habe mich immer gewundert, warum niemand auf den Gedanken gekommen ist, eine Geschichte der Familie zu schreiben."
Das war eine große Neuigkeit für Chefinspektor Hallick, aber sie stimmte genau mit dem überein, was Connor ihm früher gesagt hatte.
Der Beamte kam mit einem umfangreichen Aktenstück und einem dünnen Schnellhefter zurück. Der Inhalt des Hefters zeigte, daß in der letzten Zeit keine neuen Nachrichten über O'Shea eingegangen waren. Elk beobachtete seinen Kollegen neugierig. „Sie wollen wohl Ihr Gedächtnis über den großen Goldraub auffrischen? Werden Sie nicht neidisch, wenn Sie daran denken, daß diese Unmenge Gold irgendwo versteckt liegt? Nur schade, daß sich Bradley nicht mit der Aufklärung des Falles beschäftigt. Er kennt alle Einzelheiten aufs beste. Wenn Sie davon überzeugt sind, daß die Ermordung Connors mit O'Shea zu tun hat, würde ich ihn an Ihrer Stelle sofort telegrafisch
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