072 - Der unheimliche Mönch
Leute dorthin gehen, die genug Geld haben, um es mit vollen Händen auszugeben?"
„Nun, es gibt doch mancherlei Vergnügungen in Ostende. Da sind zum Beispiel die Spielbanken, wo man Geld gewinnen oder verlieren kann, je nachdem ob man Glück hat. Und man kann dort gut essen. Frische Hummer sind eine Spezialität von Ostende. Ich habe Ihnen ein Zimmer in einem kleinen, nicht allzu teuren Hotel in der Nähe des Hafens reservieren lassen."
„Das können Sie sofort wieder abbestellen. Wenn ich überhaupt nach Ostende gehen soll, dann nehmen Sie für mich eine Luxuswohnung im ,Splendid'. Soviel ich weiß, ist es das komfortabelste und beste Hotel am Platz."
„Aber, guter Freund, es liegt doch nichts Besonderes vor", entgegnete Mr. Campbell verzweifelt. „Sie sollen drüben nur die Leute beobachten. Es handelt sich nicht um einen besonderen Fall. Sie haben sozusagen Ferien. Die Direktoren unserer Gesellschaft wollen Ihnen auch einmal ein paar angenehme Tage gönnen, so daß Sie sich dort etwas erholen können. Wenn Sie natürlich sehen, daß ein Mann einem unserer Klienten die Nadel aus der Krawatte stiehlt, haben Sie die Verpflichtung, ihm das auszureden."
„Also schön, ich fahre mal hinüber und schau mir den Betrieb an; aber ich protestiere dagegen, daß ich an dieser verdammt heißen Küste sitzen und mir die Sonne auf die Nase brennen lassen soll, daß sie sich häutet. Wie gesagt, besorgen Sie mir die Luxuszimmer im Hotel Splendid."
„Könnten Sie nicht als ein netter, ruhiger Tourist hingehen?" fragte Mr. Campbell ängstlich, „Dann brauchen Sie doch nicht so viel Geld auszugeben. Das paßt doch auch gar nicht zu Ihrer Rolle."
„Wenn ich schon eine Rolle spiele, dann gehe ich als Millionär. Das liegt mir bedeutend besser."
In Wirklichkeit aber wohnte Bob im Hotel Desthermes, das lange nicht so teuer war wie das Splendid. Am ersten Tag machte er einen Ausflug in die Umgebung. Abends hörte er sich im Kursaal ein Konzert an, dann ging er in die Spielsäle, die ihn sehr interessierten, und besuchte ein paar Cafes in der Hoffnung, irgendwelche Leute zu finden, die die Polizei suchte. Aber in dieser Beziehung hatte er kein Glück.
Am nächsten Morgen herrschte prachtvolles Wetter, und Ostende erschien ihm so schön und herrlich wie noch nie, als er in den sonnigen Tag hinaustrat und durch die Kuranlagen schlenderte.
Nach dem Frühstück machte er einen Besuch auf dem Polizeipräsidium. Der Beamte, den er dort traf, begrüßte ihn herzlich, denn sie hatten vor dem Krieg zusammen in New York gearbeitet.
„Nein", erklärte der Polizeichef, „zur Zeit sind keine verdächtigen Charaktere in der Stadt. Wir beobachten die Dampfer sehr sorgfältig, wie es auch die englische Polizei jenseits des Kanals tut.
Lew Simmons ist durch die Kontrolle gekommen, aber ich erkannte ihn, ließ ihn in Haft nehmen und schickte ihn mit dem nächsten Dampfer wieder zurück. Ein paar Verbrecher, die von Paris über Brüssel hierherkamen, habe ich gleich am ersten Tag ihres Aufenthalts fassen können. Sie sitzen jetzt im Gefängnis von Gent, weil sie mit gefälschten Pässen gereist sind. Nein, Monsieur Brewer, in Ostende ist es zur Zeit ruhig."
„Hm! Es ist mir ein wenig zu ruhig", erwiderte Bob. „Ist übrigens nicht Teddy Bolter in Belgien?" Der Polizeichef nickte.
„Das ist aber ein Mann, der sich gebessert hat. Er hat jetzt eine amerikanische Bar in der Rue Petit Leopold."
„Ich werde Teddy einmal besuchen", sagte Bob.
Mr. Bolter war ein untersetzter, breitschultriger Mann in mittleren Jahren.
„Sieh da, der Mr. Brewer", sagte er und begrüßte den Detektiv herzlich, indem er ihm die Hand über den Schanktisch reichte. „Es geschehen also auch heute noch Wunder. Wollen Sie etwas Alkoholfreies haben, Mr. Brewer, oder soll ich Ihnen einen netten Bronx-Manhattan oder einen Martini mixen?"
„Ein Martini wäre nicht schlecht", meinte Bob. „Nun, wie geht es, Teddy?"
„Ach, ganz gut. Ich führe ein anständiges, ordentliches Leben", entgegnete Teddy langsam und mit besonderer Betonung. „Ich hoffe so viel Geld zu sparen, daß ich mir eine nette, kleine Villa in St. Jean de Luz leisten kann. Dort kann ich dann später meinen blondlockigen Enkelchen die bewegten Abenteuer meines früheren Lebens erzählen."
„Das muß ja entzückend sein! Großartige Aussichten, Teddy! Ich sehe Sie schon im Geist auf der Terrasse Ihres kleinen Schlößchens im goldenen Sonnenschein. Sicherlich erzählen Sie dann die
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