072 - Der unheimliche Mönch
stöhnte, denn er hatte fünfzig Kisten besten französischen Sekt an Bord.
Am Abend beim Essen trank Mr. Brown aber doch zwei Gläser Portwein, und unter dem Einfluß des Alkohols redete er frei und offen. Er, George und Mr. Vandersluis waren die einzigen, die bei Tisch saßen, und sie sahen ziemlich verloren in dem großen, prachtvollen Speisesaal aus.
„Die ganze Gesellschaft ist nicht viel wert!" erklärte Mr. Vandersluis.
„Das ist auch Mr. Campbells Meinung", erwiderte Mr. Brown. „Er sagt, daß die Gesellschaft -"
„Ich will nicht wissen, was Mr. Campbell sagt", erklärte Vandersluis. „Er hat kein Recht, sich derartig über die Gesellschaft zu äußern. Erstens gehört er nicht dazu, zweitens ist er der Diener dieser Leute - auch der meine."
„Das ist es ja gerade, was Mr. Brewer ihm immer sagt", entgegnete Mr. Brown, der sich nicht im mindesten einschüchtern ließ.
„Brewer? Ach, das ist der Mann, der morgen an Bord kommen soll? Wer ist denn das eigentlich? Ich glaube, daß ich schon von ihm gehört habe."
„Er ist ein sehr netter, umgänglicher junger Mann", sagte Brown. „Und er kann in unendlich vielen Verkleidungen auftreten."
„Ach, den brauchen Sie mir erst gar nicht zu zeigen, den kenne ich unter Tausenden heraus. Diese Detektive haben etwas an sich, das sie schon auf einen Kilometer Entfernung kenntlich macht. Und außerdem ist diese Angst, daß die Verbrecher hier an Bord kommen sollen, doch einfach kindisch. Wie sollten sie das wohl anstellen? Ich habe zwanzig Mann Besatzung, die Heizer eingerechnet, und ich liege einen guten Kilometer vom Ufer entfernt. Und glauben Sie mir, ich kann mit einer Pistole besser umgehen als irgend jemand, der heute abend in Cowes ist."
„Das glaube ich schon", sagte Mr. Brown und goß sich noch ein Glas Portwein ein.
„Sie haben alle versucht, mir das Geld abzunehmen - die Bande von Moore und die von O'Donovan. Aber es ist keinem gelungen. Mir hat noch keiner einen Dollar abgenommen, mein Junge, darauf können Sie sich verlassen."
„Als ich heute an Bord kam", erklärte Brown schon ein wenig schläfrig, „dachte ich sofort, das ist ein Mann, dem man nicht einen einzigen Dollar abnehmen kann."
Mr. Vandersluis sah ihn belustigt an.
„Sie scheinen ja nicht viel vertragen zu können. Es wäre vielleicht doch besser gewesen, wenn Sie Limonade getrunken hätten."
„Ich bin vollkommen nüchtern", erwiderte Mr. Brown und versuchte aufzustehen. Aber dann setzte es sich sehr schnell wieder in seinen Sessel und machte ein verdutztes Gesicht.
„Also, setzen Sie sich einmal bequem hin", sagte Mr. Vandersluis. „George, helfen Sie mir."
Sie führten Mr. Brown zu einem prachtvollen Klubsessel, dann gingen sie an Deck.
Mr. Vandersluis hatte die Gewohnheit, bis zwölf Uhr nachts an Deck zu bleiben, aber es machte ihm wenig Vergnügen. Von Bord der anderen Jachten hörte er fröhliches Lachen.
Sein Sekretär George legte beim Schein der großen Decklampen Patience.
Mr. Vandersluis lehnte gerade an der Reling, als ihn plötzlich eine Stimme aus dem Dunkel anrief.
„Jacht, ahoi!"
Es war kurz vor Mitternacht, und Mr. Vandersluis zögerte. Er wußte nicht recht, wie er sich verhalten sollte, denn es war die Stimme einer Dame.
Gleich darauf hörte er sie schon bedeutend näher.
„Helfen Sie mir bitte, ich habe ein Ruder verloren!"
Er sah auf das Wasser hinunter und entdeckte ein kleines Boot. Er rief nicht erst einen Matrosen, sondern eilte selbst hinunter, nahm die Leine, die an der Reling hing und warf sie geschickt nach dem Boot hinüber.
Es war eine Dame in Abendkleidung. Er half ihr auf die untere Plattform des Fallreeps, machte das Boot fest und führte sie an Deck. Im hellen Licht sah er, daß sie jung und schön war. Sie trug ein kostbares Kleid, und ihr Perlenhalsband war ein kleines Vermögen wert. Aber sie schien sehr müde zu sein und sank in einen bequemen Korbsessel.
„Holen Sie etwas Kognak, George", sagte Mr. Vandersluis, der von dem Abenteuer begeistert war, „oder besser eine Flasche Sekt", fügte er hinzu, und seine Augen strahlten bei diesem guten Gedanken.
Die junge Dame trank das Glas Sekt in einem Zug aus und sah ihn mit einem dankbaren Lächeln an.
„Es war eine große Torheit von mir. Ich dachte, ich könnte allein zur Jacht meines Vaters zurückrudern. Als ich aus dem Klub kam, war der Matrose nicht im Boot, und so ruderte ich selbst. Ich bin Lady Mary Glendellon, stellte sie sich vor. „Mein Vater ist der Earl
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