072 - Der unheimliche Mönch
reserviert und kühl.
„Lady Heppleworth, sind Sie glücklich verheiratet?" fragte Bob plötzlich, als sie beim Kaffee angelangt waren. Sie starrte ihn einen Augenblick an und wurde rot.
„Ich weiß nicht, was Sie das angeht", entgegnete sie beinahe beleidigt. „Ich glaube, Lord Heppleworth wünscht nicht, daß Sie derartige Fragen an mich stellen."
„Sie können es ihm ruhig sagen, wenn Sie wollen", erwiderte Bob gleichgültig. „Es interessiert mich im Moment auch nicht, was er von mir denkt. Ich überlege mir nur gerade, wie er über Sie urteilen würde, wenn er alles von Ihnen wüßte?"
„Wie meinen Sie das?"
„Ich frage Sie noch einmal: Sind Sie mit Ihrem Gatten glücklich verheiratet? Oder haben Sie die Absicht, Ihr jetziges Leben aufzugeben, ihn zu verlassen und sich nach einer kleinen Stadt in Australien zurückzuziehen? Dort könnten Sie ruhig und still leben, ohne all den Ärger, den Sie jetzt haben."
Sie senkte den Blick.
„Ich verstehe Sie nicht", sagte sie leise.
„Nun, dann will ich noch deutlicher werden. Sie haben einen Bruder, der in Australien lebt, und Sie wollen zu ihm ziehen. Lord Heppleworth gibt Ihnen nicht viel Geld. Er ist, um es geradeheraus zu sagen, ziemlich geizig, und Sie haben natürlich von Ihrer Ehe mit ihm etwas ganz anderes erwartet. Sie sind schließlich bei ihm nichts weiter als eine bessere Angestellte, die nicht einmal sonntags frei hat."
„Ja, das ist wahr." Ärger machte ihre Stimme scharf. „Er bewacht mich wie die Katze eine Maus. Vor einem Jahr, als mein Bruder nach Australien ging, konnte ich ihm nicht einmal fünfzig Pfund mitgeben!"
„Sie hätten aber doch einen Ring versetzen können."
„Er zählt meine Schmuckstücke jeden Morgen und jeden Abend", erwiderte sie und lachte gezwungen. „Ist das nicht schrecklich? Manchmal bin ich allerdings in Versuchung, ihn zu erschießen und dann zu fliehen! Ich würde es auch tun, aber ich habe keine Zuflucht und kein Geld."
„Jetzt wollen wir einmal über die Perlenkette sprechen. Würden Sie so gut sein und sie mir einen Augenblick geben?"
Sie zögerte.
„Warum denn?"
„Ich möchte sie in die Tasche stecken."
„Nein, das werden Sie nicht tun", entgegnete sie.
„Sie haben doch eine Schwester, soviel ich weiß?"
Gladys wurde bleich.
„Sie ist in der Garderobe des Hotels angestellt und im Moment damit beschäftigt, eine Perle von der Kette zu entfernen, die Sie abgelegt haben, als Sie in die Garderobe traten. Und sie kann die Schnur so geschickt verkürzen, daß man den Diebstahl nicht entdeckt. In einer Stunde kann man so etwas schon machen. Sie sitzen ja gewöhnlich anderthalb Stunden hier beim Essen."
Sie wurde noch bleicher, sagte aber nichts.
„Die Kette, die Sie jetzt tragen, ist eine sehr gute Imitation. Ich weiß, daß sie vor zwei Monaten von einer Frau in den Burlington-Arkaden gekauft wurde, wahrscheinlich von Ihrer Schwester.
„Was soll ich tun?" fragte sie, nachdem einige Minuten verstrichen waren, mit leiser Stimme.
„Ich rate Ihnen, zu Ihrer Schwester zu gehen und sie aufzufordern, Ihnen die Perlen zurückzugeben, die sie genommen hat. Um ihr die nötige Zeit zu lassen, wollen wir inzwischen ein Theater besuchen. Ich habe bereits Plätze bestellt."
„Und was soll ich Lord Heppleworth sagen?"
„Gar nichts."
„Ich brauchte das Geld dringend", sagte sie heftig. „Ich wollte es nicht stehlen. Wenn meine Schwester auch Dinge getan hat, die nicht recht sind, so habe ich mir doch nie im Leben etwas zuschulden kommen lassen. - Aber ich halte es bei diesem alten Pedanten nicht länger aus. So kamen wir auf die Sache mit der Kette. Das Geld wollten wir miteinander teilen. Ich wollte meinen Anteil dazu benützen, nach Australien zu fahren - ich muß aus dieser schrecklichen Umgebung heraus."
Bob dachte einige Zeit nach.
„Ich glaube, daß ich zweihundert Pfund von Ihrem Gatten als Belohnung für die Wiederbeschaffung der Perlen erhalten kann. Diese zweihundert Pfund stelle ich Ihnen zur Verfügung. Damit können Sie nach Australien fahren, wann es Ihnen beliebt."
„Aber was soll ich Lord Heppleworth sagen?"
„Sagen Sie ihm, daß die Perlen von einer Mason-Biene entführt worden sind", erwiderte Bob leichthin.
6
Bob Brewer aß allein im Windsor-Restaurant zu Abend, als Mr. Douglas Campbell an seinen Tisch trat.
„Bob", sagte er ohne weitere Vorrede, „ich war eben in Ihrer Wohnung und hörte dort, daß Sie hier wären.
Ich hätte gern Ihren Rat in einer bestimmten
Weitere Kostenlose Bücher