072 - Die Rache des Magiers
einfiel.
„Welche Autobahn soll ich nehmen?“
„Mir doch egal. Ich bezahle Sie für’s Fahren, nicht für’s Fragen.“
Der Chauffeur schwieg. So kannte er den immer ruhigen, sachlichen Edgar Kronberger nicht. Er fuhr aus der Stadt zum Autobahnkreuz.
Edgar Kronberger saß im Fond des schweren Wagens, hielt die Rechte auf das hämmernde Herz gepreßt. Vor wenigen Tagen noch wäre es für ihn undenkbar gewesen, auf der Stelle und ohne für eine Vertretung zu sorgen, einfach wegzufahren. Er war kein Mann, der plötzlichen Entschlüssen Raum geben konnte. Zuviel und zu viele hingen von ihm ab.
Doch jetzt wollte er nichts wie weg. Zuviel Schreckliches war in den letzten Tagen auf ihn eingestürmt.
Der Chauffeur konnte zügig fahren. Anderthalb Stunden waren sie jetzt bereits unterwegs. Kronberger wandte sich über die Sprechanlage an Albert.
„Fahren Sie zur nächsten Raststätte.“
„Ja, Herr Kronberger.“
An der nächsten Raststätte fuhr Albert auf den Parkplatz. Kronberger ging zur Toilette, der Fahrer ebenfalls. Während der Fahrer noch in dem Raum mit den Becken blieb, stand der Bankier bereits im Waschraum vor dem Spiegel. Er trocknete sich die Hände im Luftstrom des Händetrockners.
Plötzlich sah er aus den Augenwinkeln jemanden neben sich stehen. Es war ein kleiner Mann, der einen altmodischen Anzug mit Weste und Uhrkette trug. Er hatte einen steifen Kragen, wie er längst aus der Mode war. Seine Augen glühten.
„Was wollen Sie?“ stammelte Kronberger.
„Deine Frau wartet auf dich“, sagte der kleine Mann. „Du solltest endlich versuchen, sie ebenfalls zur Unterschrift zu bewegen. Denk an unseren Pakt.“
„Vergessen Sie den Pakt! Er soll ungültig sein. Ich will meine Frau bestatten lassen.“
„Willst du eine Lebende begraben? Wir haben einen Pakt, einen Vertrag, Edgar Kronberger. Ich für mein Teil habe meine Leistung erbracht. Jetzt erbringst du die deine. Pakt ist Pakt, Vertrag ist Vertrag. Das solltest du doch wissen, Edgar Kronberger. Ein Mann in deiner Position.“
„Ich gebe Ihnen Geld! Ich gebe Ihnen, was Sie wollen, aber entlassen Sie mich aus dem Pakt. Nennen Sie Ihren Preis! Ich zahle! Ich zahle alles!“
Der kleine Mann schüttelte den Kopf. Seine Stimme klang immer noch sanft. Belustigt sah er, wie der Bankier das Scheckheft aus der Brusttasche zog, seinen Füllhalter zückte.
„So sagen Sie doch, wieviel Sie wollen oder was Sie wollen!“
„Ich will kein Geld, Edgar Kronberger. Ich will deine Seele. Deine unsterbliche Seele und die deiner Frau. Kehr um, fahre sofort zurück, sonst muß ich böse werden!“
„Nein, nein, nein!“
Scheckheft und Füllhalter entfielen Kronbergers Hand. Er wandte sich zur Wand, schlug mit den Fäusten dagegen. Jemand faßte ihn an der Schulter. Es war Albert, der Chauffeur.
„Was haben Sie, Herr Kronberger? Ist Ihnen nicht gut?“
„Der Mann! Der kleine Mann. Wohin ist er gegangen?“
„Hier ist niemand, Herr Kronberger. Nur Sie und ich. Sehen Sie jemanden?“
Der Bankier blickte sich um. Der Kleine war verschwunden. Albert bückte sich, gab ihm Scheckheft und Füllhalter. Dann gingen sie hinaus zum Wagen.
Kronberger saß im Fond. Der Chauffeur reihte sich auf der Autobahn ein. Der Atem des Bankiers ging stoßweise. Konnte er dem Schrecken denn nirgends entkommen? Er war allein den höllischen Mächten ausgeliefert.
Immer noch fuhr der Chauffeur mit Tempo 150 in Richtung Schwarzwald. Plötzlich, wie aus dem Nichts hingezaubert, saß er neben dem Bankier. Der Kleine. Seine glühenden Augen funkelten böse. Er bleckte die Zähne, deutete mit dem dürren Zeigefinger auf den Bankier.
„Habe ich dir nicht gesagt, du sollst nach Hause zurückkehren, Edgar Kronberger? Erfüllst du so unsere Abmachung? Du weißt doch, welches Schicksal Amann ereilte, als er meiner Macht entgehen wollte.“
„Ich will nicht. Ich will fort, fort.“ Mit fürchterlicher Kraft packte der Kleine Kronbergers Hals. Der Bankier spürte, wie sein Kopf zur Seite gedreht wurde. Amann fiel ihm ein. Das Gesicht auf den Rücken gedreht. Den Hals einfach umgedreht, wie bei einem Huhn.
„Fahr nach Hause, Edgar Kronberger!“ „Ah, ah, ah, aaaaaaahhhhh! Oh!“ Der Wagen hielt. Kronberger sah Alberts gerötetes, knochiges Gesicht über sich. Der Bankier lag auf dem Fondsitz ausgestreckt. Die Sonne schien ihm ins Gesicht. Auf der Autobahn rasten die Wagen vorbei.
„Was haben Sie, Herr Kronberger? Was ist Ihnen?“
Der Bankier setzte sich auf. Er
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