072 - Die Rache des Magiers
Kronberger hat sich in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen“,
Sagte sie. „Bitte, nehmen Sie Rücksicht und gehen Sie diplomatisch vor. Er ist ein kranker Mann.“ Marie zögerte einen Augenblick, dann sagte sie: „Herr Kronberger hat in seinem Arbeitszimmer geweint. Ich habe es durch die Tür gehört.“
Dr. Sorell und Bernhard Eberlein sahen sich an. Wenn ein Mann wie Kronberger weinte, dann mußte er völlig fertig sein, kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch. Die drei gingen ins Haus.
Marie Walter führte den Arzt und den jungen Theologen in den kleinen Salon. Yvonne deckte den Tisch. Sie konnte es nicht lassen, Klaus Sorell heiße Blicke zuzuwerfen. Als sie hinausging, wiegte sie sich in den Hüften, als habe sie ein Kugellager eingebaut.
Bernhard Eberlein pfiff auf sehr weltliche Art durch die Zähne.
Marie Walter klopfte unterdessen an die Tür von Edgar Kronbergers Arbeitszimmer. Nach einer Weile fragte der Bankier: „Was ist los?“
„Ihr Essen ist fertig, Herr Kronberger. Und es warten zwei Herren im kleinen Salon.“
Kronberger glaubte nichts anderes, als daß zwei Vertreter des Finanzkonzerns oder sein Kompagnon mit einem Begleiter gekommen wären. Er riß die Tür auf. Sein Gesicht war bleich, und hektische, rote Flecke brannten auf seinen Wangen. Die Pupillen waren unnatürlich geweitet. Sein Blick flackerte.
Er lief im Eilschritt an Marie Walter vorbei in den kleinen Salon. Als er Klaus Sorell und Bernhard Eberlein sah, verfinsterte sich sein Gesicht. Er war so ratlos und durcheinander, daß er von vornherein gegen die beiden Männer eingestellt war, die ihm doch helfen wollten.
„Was wollen Sie?“ herrschte der Bankier sie an.
Dr. Sorell ließ sich nicht einschüchtern. Ruhig und bestimmt trat er dem aufgebrachten Bankier entgegen.
„Herr Kronberger, ich bin Ihr Arzt, und ich halte es für meine Pflicht, ein ernstes Wort mit Ihnen zu reden, ob es Ihnen nun gefällt oder nicht. Dann mögen Sie tun oder lassen, was Ihnen beliebt. Ihr Gesundheitszustand – der physische und der psychische – machen mir große Sorgen. Ich kannte und bewunderte Ihre Frau Gemahlin und ich habe Verständnis dafür, daß Sie nach ihrem plötzlichen, tragischen Tod aus dem inneren Gleichgewicht sind.“
Kronberger wollte ihn unterbrechen, doch der junge Arzt winkte ab und sprach unbeirrt weiter. Marie stand in der Tür, als Zeugin der Szene. Bernhard Eberlein war der Auftritt sichtlich unangenehm.
„Herr Kronberger, es ist unverantwortlich und ungeheuerlich, daß Sie den Leichnam Ihrer toten Frau in der Villa aufbahren und damit eine Atmosphäre des Grauens erzeugen, unter der Sie selbst am meisten leiden. Sie stehen ja kurz vor dem Zusammenbruch, Mann! Machen Sie eine Kur oder gehen Sie in eine Klinik. Suchen Sie einen Psychiater auf. Und vor allem, sorgen Sie dafür, daß Ihre Frau endlich unter die Erde kommt. Lassen Sie Irene in der Familiengruft auf dem Friedhof beisetzen. Das sage ich Ihnen als Arzt und als Mensch. Es ist falsch, unrecht und krankhaft, was Sie tun.“
Kronberger hatte sich nur noch mühsam beherrscht. Mit bebender Stimme fragte er: „Wer ist der andere Herr, Dr. Sorell?“
„Ich bin Theologe“, antwortete Eberlein ruhig. „Ihr Problem, Herr Kronberger, ist in erster Linie ein theologisches. Auch ich muß Ihnen dringend empfehlen, Ihre tote Frau bestatten zu lassen, wie es die kirchlichen und gesetzlichen Vorschriften wollen. Suchen Sie Trost im Glauben, Herr Kronberger. Sprechen Sie mit einem Seelsorger!“
Kronberger hob die Hand, wies zur Tür. Sein Gesicht war blaß wie ein Leintuch, als er brüllte: „Hinaus! Hinaus, alle beide! Keine Minute länger dulde ich Sie unter meinem Dach. Was fällt Ihnen ein? Eine solche Unverschämtheit ist mir mein Lebtag noch nicht untergekommen. Hinaus, oder ich rufe die Polizei! Scheren Sie sich zum Teufel, Sie … Sie Pfaffe, und Sie, Sie unverfrorener Quacksalber! Was mischen Sie sich in meine intimsten Privatangelegenheiten?“ Er holte röchelnd Luft. Sein Gesicht war rot angelaufen. Er fuchtelte mit der Hand zur Tür und schrie wie ein Irrer: „Hinaus! Hinaus! Hinaus!“
Dr. Sorell bedeutete Eberlein, die Villa zu verlassen. Kronberger hatte sich so erregt, daß mit ihm nicht mehr zu reden war. Vielleicht bekam er sogar einen Schlaganfall, wenn die beiden Männer noch länger in seinem Haus blieben. Dr. Sorell drückte Marie Walter beruhigend die Hand. Er und Eberlein gingen.
Edgar Kronberger wandte sich an Marie
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