072 - Die Rache des Magiers
war ihre Treue zu dem Mann, der sie nun dringender denn je brauchte, der zweite sein Vermögen.
Nach Maries Schätzung besaß Edgar Kronberger an Bar – und Sachwerten sowie Anlagen zwischen vierzig und fünfzig Millionen. Die Möglichkeiten, die sich mit diesem Vermögen für sie boten, überstiegen Marie Walters Vorstellungskraft. Sie würde … Sie könnte … Ach was, alles konnte sie mit diesem Geld tun, alles kaufen, unvorstellbaren Luxus, ein herrliches Dasein.
Geld regierte die Welt, und mit Kronbergers Millionen war Marie Walter eine Königin. Zudem konnte sie noch dem Sterbenden helfen. Sicher würde es einen Ausweg geben, den Pakt nicht einhalten zu müssen. Er, Kronberger, hielt ihn ja auch nicht ein.
Sie drehte sich um. Kronberger beobachtete sie voller Angst.
„Wie haben Sie sich entschieden?“
„Ich tue es, Herr Kronberger. Ich trete an Ihre Stelle.“
„Marie! Schnell, holen Sie Papier und etwas zu schreiben. Ich diktiere Ihnen.“
Marie Walter lief. Kronberger diktierte mit knappen Worten seinen letzten Willen. Maries Feder flog nur so über das Papier. Dann folgte eine Erklärung, mit der Marie Walter an Edgar Kronbergers Stelle ihre Seele dem Kleinen mit den glühenden Augen verschrieb.
Sie telefonierte Yvonne und den Gärtner Karl herbei. Die beiden kamen sofort, denn Marie hatte es sehr dringend gemacht. Kronberger erklärte ihnen nur, sie sollten eine Änderung seines Letzten Willens als Zeugen unterzeichnen. Die einzelnen Bestimmungen erfuhren sie nicht.
Beide setzten ihre Namen unter das formlose Testament. Sie konnten gleich wieder gehen. Kronberger unterzeichnete mit zitternder Hand. Vor seinen Augen unterschrieb Marie Walter mit ihrem Blut das Dokument, das ihre Seele dem Kleinen übereignete.
Ein Ausdruck tiefen Friedens breitete sich auf dem Gesicht des Bankiers aus. Er lächelte sogar, wie er bei früheren Gelegenheiten gelächelt hatte, wenn ihm ein schwieriges Geschäft zur vollsten Zufriedenheit gelungen war.
„Ich habe es geschafft. Jetzt kann ich in Frieden sterben. Ja, Edgar Kronberger ist keiner gewachsen. Ich werde sogar mit dem Teufel selbst fertig, wenn es sein muß.“
Bei den letzten Worten ertönte ein dämonisches Kichern. Kronberger griff sich ans Herz.
„Dieses Stechen! Helfen Sie mir, ins Zimmer meiner toten Frau zu gehen, Marie. Ich will sie noch einmal sehen. Es muß gleich Mitternacht sein.“
In der Tat schlug es zwölfmal, als Kronberger und Marie die Treppe hinaufgingen. Marie stützte den Bankier. Unter der Tür des Totenzimmers schimmerte das bläuliche Licht. Marie schloß auf.
Irene Kronberger war schon zum Leben erwacht. Weinend saß sie im Sarg, rang die Hände.
„Ach, Edgar, Edgar, mein armer, unglücklicher Mann! Nimmt denn dieser Schrecken nie ein Ende? Du siehst so bleich aus wie der Tod.“
„Fürchte dich nicht, mein Leben. Alles wird gut werden. Ich verspreche dir, daß du keine Angst zu haben brauchst. Alles wird gut.“
„Ach Edgar, du weißt nicht, was ich weiß, was die Toten wissen. Edgar, Edgar!“
Irene Kronberger saß bitterlich weinend in dem gläsernen Sarg, und nichts konnte sie beruhigen. Edgar Kronbergers Versicherungen, alles werde gut, brachten nur neue Tränenströme hervor. Erst nach einer halben Stunde wurde die Tote etwas ruhiger.
Sie hielt Kronbergers Hand. Er strich über ihr langes, blondes Haar. Irene vermied es, ihn anzusehen, um nicht wieder in Tränen auszubrechen. Sowohl Marie als auch Edgar Kronberger verschwiegen die Abmachung, die sie getroffen hatten.
Irene Kronberger fragte nicht nach dem Grund für Maries Anwesenheit. Entweder sie wußte es schon, oder sie wollte es nicht wissen.
Wenige Sekunden vor ein Uhr sah Irene den Bankier an. Voller Liebe, Qual und Schmerz. Sie strich zärtlich über sein Gesicht, küßte sanft seine Lippen.
„Mein armer, armer Mann!“
Um Punkt ein Uhr sank Irene Kronberger leblos in den Sarg zurück. Edgar Kronberger stand vor ihr, sah auf die Tote hinab, die jetzt wieder stumm und starr dalag.
Edgar Kronberger stieß einen Seufzer aus, griff sich ans Herz. Leblos brach er neben dem gläsernen Sarg zusammen.
Klaus Sorell war eine Viertelstunde später da. Er konnte nur noch Edgar Kronbergers Tod feststellen.
„Herzversagen“, sagte er. „Die Aufregungen waren zuviel für Kronberger. Komm, Tante Marie, es ist niemand damit gedient, wenn er neben dem Sarg seiner toten Frau gefunden wird. Tragen wir ihn in ein anderes Zimmer.“
So geschah es.
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