072 - Die Rache des Magiers
Medikamente gab. „Man könnte glauben, er sei gestorben statt seiner Frau.“
Marie Walter zuckte nervös zusammen, als sie diese Worte hörte.
„Sag nicht solche Sachen, Helga. Vielen Dank für die Medikamente. Möchtest du eine Tasse Kaffee?“
„Gern. Gehen wir in die Küche?“
Dort bereitete Yvonne das Abendessen. Die Französin sah Helga abschätzend an, begann dann die übliche Konversation.
„Kaum zu glauben, wie ähnlich Sie Ihrer Tante sind, Fräulein Caczmarek. Genauso wie Sie muß sie vor zwanzig Jahren ausgesehen haben. Sind Sie noch mit Dr. Sorell zusammen?“
Yvonne und Helga kannten sich flüchtig.
„Natürlich“, antwortete Helga keß. „Bisher sah ich noch keinen Grund zum Wechseln.“
„Das kann ich verstehen. Ein gutaussehender Mann, dieser Dr. Sorell. Olala! Wenn mir damals in Straßburg so etwas über den Weg gelaufen wäre, Akademiker noch dazu, säße ich heute nicht mit Albert hier. Einem Chauffeur!“
„Das ist doch ein ehrenwerter Beruf.“
„Mon dieu, mag sein. Jedenfalls kann er mit dem verdammten Karren besser umgehen als mit mir.“
Helga war ein modernes Mädchen, das nicht an Verklemmungen litt. Sie fragte Yvonne offen, was ihre Tante nie getan hatte.
„Wenn Sie sich mit Albert nicht verstehen, Yvonne, warum lassen Sie sich denn nicht scheiden? Bei Ihrem Aussehen finden Sie sicher leicht einen anderen Mann.“
„Ah, was wissen Sie von den Männern. Für ein Abenteuer ist jeder zu haben, aber wenn es ans Heiraten geht, drücken sie sich mit allen möglichen Ausreden. Bei Albert habe ich meine gesicherte Existenz. Und es hindert mich ja niemand, hin und wieder eine kleine Abwechslung zu suchen.“
„Wenn Sie es so sehen …“
„Oui, so sehe ich es. Und Sie sollten sich auch beeilen, diesen Beau von Docteur an die Kette zu legen, ehe eine andere es tut.“
„Sie sollten in Herrn Kronbergers Räumen nach dem Rechten sehen, solange er im Park ist, Yvonne“, mischte Marie Walter sich ein, der solche Reden unangenehm waren. „Das Essen werde ich heute abend servieren.“
Yvonne knickste übertrieben.
„Oui, Madame. Comme vous voudrez ! Wünschen Madame sonst noch etwas?“
„Nein, Yvonne.“
Yvonne ging hinaus. Kopfschüttelnd sah Marie Walter ihr nach.
„Eine unmögliche Person“, sagte sie. „Einfach unmöglich!“
„Bei so einem Hausmädchen wundere ich mich nicht über Kronbergers nächtliche Eskapaden“, sagte Helga. „Also, ich finde sie erfrischend unkompliziert.“
Der Name Kronberger brachte Marie Walter wieder in die Realität zurück.
„Wie kannst du denken, daß Herr Kronberger und Yvonne … Also Helga! Sie wäre schon bereit, aber er wohl kaum. Woher weißt du überhaupt von nächtlichen Geschehnissen in diesem Haus?“
„Keine Sorge, Tante, Klaus hat nicht geplaudert. Ich habe Teile eines Telefongesprächs gehört, das er mit Bernie Eberlein führte. Stimmt es tatsächlich, daß Kronberger seine tote Frau im Hause aufgebahrt hat?“
Marie war es sichtlich unangenehm, darüber zu sprechen.
„Kümmere du dich um deine Angelegenheiten, Helga. Und steck nicht die Nase in fremder Leute Sachen.“
„Nun sei doch nicht gleich so, Tante. Du kommst mir überhaupt so … so ernst und bedrückt vor heute. Kein Wunder, wenn eine Tote in diesem Haus aufgebahrt ist, daß du dich dann hier nicht wohlfühlst. Ich weiß, wie du Kronberger verehrst und wie du ihm ergeben bist, doch ein solcher Heiliger und Edelmensch, wie du aus ihm machen möchtest, ist er nicht. Aber schlecht sieht er aus, der alte Knabe, das muß ich zugeben. Na, die tote Frau im Haus und diese Sexbombe Yvonne, das scheint ihn doch sehr mitzunehmen.“
Helga hatte auf frivole Art munter sein wollen, um den Trübsinn und die Düsterkeit ihrer Tante zu verscheuchen. Sie erreichte genau das Gegenteil.
„Ich verbiete dir, so zu reden“, entgegnete Marie Walter scharf. „Erstens kennst du die Zusammenhänge nicht, und zweitens …“
„… bin ich zu jung, um mir ein Urteil erlauben zu können. Das wolltest du doch sagen, oder?“
„Nein. Zweitens ist es sehr unanständig, hinter dem Rücken anderer Leute solche indirekten Verleumdungen auszusprechen.“
„Ach Tante, ich sehe schon, wir kriegen heute nur Streit. Ich wollte dich nicht kränken. Du bist wohl etwas überreizt, da gehe ich lieber. Laß dich gelegentlich sehen, oder ich komme mal wieder zu dir.“
Der Abschied verlief frostiger als sonst. Als Helga Caczmarek wegfuhr, kehrte der
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